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Mit dem BMW M5 auf Europatour – Vorwärts in die Vergangenheit

Was geschah nochmal vor zwanzig Jahren? Der Vertrag von Maastricht wurde verabschiedet, Helmut Kohl war immer noch Bundeskanzler, Dänemark wurde Fußball-Europameister, Michael Jackson startete zu einer Welttournee und Frauen entdeckten Leggins. In München aber lief 1992 bei BMW ein M5 vom Stapel, der mit nunmehr 340 PS Leistung zeigen sollte, wie sehr das Konzept Sportlimousine steigerungsfähig ist. Jetzt kommt dieses Modell in die besten Autojahre: Zeit für eine Orientierungstour, die den M5 von der Youngtimer-Rallye Creme 21 in Sachsen nach England führt, dort wo alljährlich klassische Renn- und Sportwagen beim Goodwood Revival gefeiert werden.

Anders als heute sieht man nicht gleich auf den ersten Blick, wozu dieser BMW fähig ist. Das Prinzip Understatement schuf ein klares, schlankes Design; allenfalls die extravagante Außenfarbe mit dem beziehungsreichen Namen Daytona Lila lässt verborgene Ansprüche vermuten. Die Teilnehmer an der Ausfahrt der jungen Oldies erkennen ihn natürlich sofort und erläutern seinen Stammbaum als sei er ein hochdotiertes Rennpferd. Zu seiner Ahnenreihe gehört der Mittelmotorsportwagen M1 (1978), den BMW zusammen mit Partnern wie Lamborghini und Designikone Giugiaro schuf, genauso wie der viertürige M535i, der 1980 vorgestellt wurde und mit seinem Sechszylinder-Reihenmotor und 218 PS zum Spitzenmodell der 5er-Baureihe avancierte.

Nur 3.019 Stück wurden von dem M5 (interne Bezeichnung E34) gebaut. Er kostete damals 120.850 D-Mark und wurde mit einem Fünfgangschaltgetriebe ausgeliefert. Inzwischen ist die M5-Familie über 25 Jahre alt und die BMW Motorsport GmbH, die ihn entwickelte und heute M GmbH heißt, feierte in diesem Jahr ihren 40. Geburtstag. Damit rückt dieses Modell mit seiner Geschichte ganz allmählich in die exklusiven Gefilde der großen Klassiker vor. Einen Vorgeschmack auf die künftige Historie bietet das alljährliche Retro-Rennspektakel Goodwood Revival. Auf den rund 1.200 Kilometern, die man von der [foto id=“436166″ size=“small“ position=“left“]Creme-Rallye in Dresden bis zum Veranstaltungsort in der südenglischen Grafschaft Sussex zurücklegen muss, kann der zukünftige Solitär M5 zeigen, wie alltagstauglich er noch heute ist.

Nach Rallyetagen auf dem Lausitzring und über malerische Straßen zweiter und dritter Ordnung stellt sich der M5 nun auf die Langstrecke ein. Der Ölstand ist immer noch perfekt und auch die Temperaturanzeige wollte bisher nicht vom Kurs abweichen. In diesen Zeiten denken alle beim Begriff Europa wohl zunächst an den Euro. Doch um eines wird der zurzeit gebeutelte Kontinent beneidet: um ein dichtes Netz von Verkehrsadern, das die Ränder an die Zentren anbindet. So auch die BAB 38, die zum Verkehrsprojekt Deutsche Einheit gehört und den Raum Leipzig/Halle mit dem Ruhrgebiet verbinden soll. Nach Dresden und einem Intermezzo auf der A14 heißt es für die BMW-Niere am Bug: Go West. Vorbei an Landschaften, die in der frühherbstlichen Sonne tatsächlich zu blühen scheinen, vorbei aber auch an den Abraumhalden des stillgelegten Braunkohletagebaus, wo die Riesenbagger wie vergessene Dinosaurier herumstehen.

Hier auf der leeren, geraden Autobahn kann der Sport-Fünfer seine Kraft entfalten. Sein volles Drehmoment von 400 Nm entwickelt er bei 6.900 Umdrehungen, dann entfaltet er auch ein tiefes Knurren, das dennoch allemal dezenter ist als beim M535i. Er lässt sich auch auf gewohnt geschmeidige Münchener Art hoch schalten, wenn er genügend Drehzahl zur Verfügung gestellt bekommt. Allenfalls sein Durst markiert den Entwicklungsstand von vor 20 Jahren. Mit dem 90-Liter-Tank rückt die angegebene Reichweite von 750 Kilometern bei konstanten 180 km/h in die Ferne. Aber die späteren Geschwindigkeitsbegrenzungen in den Niederlanden, Belgien, Frankreich und England korrigieren den Eindruck.

Vorbei am sagenumwobenen Kyffhäuser und durch die Brücke der Deutschen Einheit hindurch, die auf der A7 nahe des alten Grenzdurchgangslagers Friedland im Kreis Göttingen liegt, wird die Autobahn Richtung Dortmund und Ruhrgebiet immer voller bis der Verkehr zum Erliegen kommt. Der M5 ist als Kind seiner Zeit Purist: keine Ablenkungen im Cockpit. Multimedia war noch Zukunftsmusik, der Besitz eines Handys etwas Besonderes und man verlies sich auf gefaltetes Kartenmaterial. Doch diese Reiselimousine mit dem athletischen Herzen besitzt einen elementaren Bordcomputer mit Knöpfen [foto id=“436167″ size=“small“ position=“right“]und kleinem Display sowie ein kombiniertes Radio-Kassetten-Element. Wer braucht mehr, wenn man höchst komfortabel sitzt, ein großes, schlankes Lenkrad vor sich hat, auf dessen Befehle das Fahrzeug agil mit kaum merklicher Verzögerung reagiert?

Kaum fährt man ein paar hundert Kilometer quer durch Deutschland passiert man – Schengen sei Dank – ohne Kontrolle eine Landesgrenze. Doch ist man in Holland angekommen, so scheint es, fährt der M5 gelassen schon an dem blauen EU-einheitlichen Schild für Belgien vorbei. Mit dem Hochkaräter der Fünfer-Reihe musste natürlich auch eine Stippvisite in Antwerpen, Europas drittgrößter Hafen und weltweiter Umschlagsplatz für Rohdiamanten gemacht werden. Seeluft und Möwen und das graue Nieselwetter für das die Benelux-Länder berüchtigt sind, begleiten die Reise Limousine weiter bis Calais. Die Fährverbindung ins englische Dover wird hier jährlich von rund 30 Millionen Menschen genutzt. An Bord erregt der M5 unter den Kennern Aufsehen und ruht sich bis zu den weißen Felsen der britischen Küstenstadt aus.

Jenseits des Ärmelkanals erwarten den BMW wieder Straßen nach seinem Geschmack: schmale, bucklige Asphaltbänder mit engen Kurven und grünem Baldachin aus dicht stehen Bäumen, Küstenabschnitte, die durch typisch englische Orte führen mit ihren vielen Kreiseln und Pubs, die nie renoviert werden sollten. Ein besonderes Städtchen ist Hastings, wo normannische Heere 1066 an Land gingen und die Stämme besiegten. Vielleicht waren sie es ja, die den sprichwörtlichen Spleen nach England brachten?

Bald ist die Reisedistanz von gut 1.200 Kilometern auf nur wenige Meilen zusammengeschnurrt. Die Zahl der Modelle, die deutlich mehr Jahre unterwegs sind, nimmt zu. Als angehender Klassiker reiht sich der M5 in die stetig anwachsende Perlenkette der historischen Fahrzeuge ein, die Richtung Goodwood abbiegen. Beim Revival sind die besten Plätze gleich vorn am Eingang für diese exklusiven Exemplare reserviert. Bis es soweit ist, hat der Zeitreisende aus München aber noch viel vor.

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