Panorama: Auf den Straßen von Malaysia – Teatime mit 550 PS

Sechsspurige Autobahnen, eine Rushhour wie in Tokio oder Los Angeles und Kreuzungen auf vier oder fünf Etagen – Montag morgens um neun ist Kuala Lumpur eine Großstadt wie jede andere auch, und selbst ein schneeweißer Jaguar XKR-S geht unter im Verkehrsgetümmel. Dabei dürfte das 403 kW/550 PS starke Cabrio das einzige seine Art in ganz Malaysia sein. „Wir haben unseren ersten XKR-S gerade erst hereinbekommen“, sagt Chefverkäufer Norazlan Sidek in der Hauptstadt, „und das ist ein Coupé, denn bei unserem Wetter fährt mein eigentlich kein offenes Auto.“

Doch für die Tour, die jetzt über den Navi-Bildschirm flimmert, gibt es kaum ein Auto, das besser geeignet ist, als der offene Granturismo mit der Rennstrecken-Power. Denn es geht hinauf in die legendären Cameron Highlands. Drei Stunden nördlich und 1.500 Meter höher gelegen als Kuala Lumpur, bauen die Malaien hier auf riesigen Plantagen in sattgrünen Tälern [foto id=“463986″ size=“small“ position=“left“]jenen Tee an, den der gemeine Brite bei der Teatime zu genießen pflegt. Und je schneller mal die Hügel stürmt, mit desto mehr Ruhe lässt sich der Afternoon-Tee genießen.

Also schnürt der XKR-S über die einzige Autobahn des Landes gen Norden, ignoriert geflissentlich das Tempolimit von 110, höchstens mal 120 km/h und entkommt so schnell dem schwülen Dunst, der in diesen Tagen über der Hauptstadt liegt. Noch schnurrt der XK dabei wie eine Raubkatze, die nach dem großen Fressen satt und träge in der Sonne liegt. Aber sobald es von der Autobahn herunter geht, zeigt der XKR-S sein zweites Gesicht – und messerscharfe Krallen. Mit der fast meditativen Ruhe in den sattgrünen Tälern, die von tausenden Touristen so geschätzt wird, ist es dann allerdings vorbei. Denn wenn der Kompressor kreischt und die Endrohre mit geöffneten Soundflaps ungeniert bollern, dann brennt die Luft, zwischen den Hügeln hallt ein Donner und die hüfthohen Teebüsche schütteln den Tau von den Blättern.

Dabei beißt sich der XKR-S in die engen Kurven, rast durch feucht heiße Palmenhaine und Tropenwälder hinauf in die Highlands und nimmt die engsten Kehren mit einem eleganten Hüftschwung. Mächtige Steigungen, enge Kehren und kurze Geraden – wer wird sich daran stören, wenn er acht Zylinder, fünf Liter Hubraum und 550 PS unter der Haube hat? Wenn einem auf den viel zu engen Straßen das Schicksal nur nicht ständig die abenteuerlichsten Vehikel entgegen schicken würde. [foto id=“463987″ size=“small“ position=“right“]Und dass der Bordcomputer schnell mal einen Verbrauch von 20 oder auch 25 Litern zeigt, ist egal in einem Land, in dem Petronas den besten Sprit für umgerechnet 50 Cent verkauft.

Autos wie der eigens für das Fahrprogramm „Taste & Race“ mit sechs Jaguar-Fans, dem Starkoch Johann Lafer und Formel1-Veteran Christian Danner aus Deutschland eingeschiffte XKR-S sind in Malaysia allerdings die absolute Seltenheit. Schon einen gewöhnlichen Jaguar bekommt man so gut wie nie zu Gesicht. Wie auch, wenn die Import- und Luxussteuer den Preis schnell mal verdreifacht? Wo der Viva des lokalen Marktführers Perodua als billigstes Auto knapp 25.000 Ringit (RM) oder umgerechnet rund 6.500 Euro kostet, schlägt ein XF bereits mit fast 389.000 RM oder gut 100.000 Euro zu Buche, und der XKR-S steht mit 1,35 Millionen RM oder fast 350.000 Euro in der Liste. Kein Wunder also, dass die Briten hier im letzten Jahr gerade einmal 67 Autos verkauft haben. Und kein Wunder auch, dass die Einheimischen dem eiligen Engländer hinterher schauen, als wäre das weiße Cabrio ein Ufo beim Landgang.

Dabei haben sie offenbar durchaus einen Sinn für alles, was schnell und sportlich aussieht. Denn gemessen an den oft bis zur Unkenntlichkeit bespoilerten Proton Persona im Jetta-Format und Perodua Myvi auf Basis abgelegter Daihatsu-Modelle, die sonst das Straßenbild prägen, ist selbst das markante Flügelwerk des XK noch dezent. Und auch das Brabbeln des V8 lässt sich mit so manchem Sportauspuff der lokalen Tuningszene locker übertönen – zumindest, solange man an einer der vielen roten Ampeln steht, die es in Malaysia selbst im überraschend gut ausgebauten Fernstraßennetz zu Hauf gibt. Sobald es allerdings dann mal grün wird, haben die Locals nichts mehr zu melden – denn bei Perodua ist schon bei einem 1,5-Liter mit 104 PS [foto id=“463988″ size=“small“ position=“left“]Schluss, und bei Proton ist es mit maximal 1,6 Litern und 125 PS kaum besser. Denen fährt der XKR-S schon mit Standgas davon.

Viele auch nur annährend ebenbürtige Autos bekommt man binnen zwei, drei Tagen im Land nicht zu sehen: Wer keinen Proton fährt oder bei der erst Mitte der neunziger Jahre gegründeten Zweitmarke Perodua heimisch geworden ist, der rollt meist in einem Auto japanischer Provenienz oder einem der vielen billigen Chinesen durchs Land. US-Marken wie Chevrolet dagegen sieht man hier fast gar nicht, die Franzosen sind selten und wo schon ein 3er BMW als Luxuslimousine gilt, machen sich auch die deutschen Autos relativ rar: Hier mal ein paar alte Mercedes-Taxen, dort eine Handvoll verstaubter Fünfer, und später dann zurück in Kuala Lumpur vielleicht zwei Dutzend neue Mercedes, BMW und eine Handvoll Audi in zwei, drei Stunden – viel mehr Präsenz zeigt PS-Deutschland hier noch nicht.

Dabei ist Malaysia eigentlich ein perfektes Terrain für potente Autos, vor allem in den Highlands: Gut ausgebaute Landstraßen mit hunderten von Kurven, sanfte Pässe mit kilometerlangen Anstiegen und vergleichsweise leere Autobahnen – was könnte es für schönere Strecken geben als diese? Wenn da nur nicht das strickte Tempolimit wäre. Mehr als 90 über Land und 120 auf der Autobahn sind offiziell nicht drin. „Aber was ist hier schon offiziell?“, lächelt Paul, der als Deutscher vor bald 20 Jahren nach Malaysia gekommen ist und jetzt den Jaguar auf seiner Tour durch die Teeplantagen begleitet. „Geschwindigkeitsverstöße werden quasi pauschal geahndet und kosten umgerechnet immer 30 Euro. Egal wie viel man zu schnell war“, berichtet der Exilant, bevor er seinen Motor noch einmal aufheulen lässt. Denn selbst das sei noch nicht das letzte Wort: „Am Ende des Jahres verhandelt mit der Polizei jeder über Rabatte.“

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