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Panorama: Nissan Juke-R und Leaf RC – Billy the Kid trifft Darth Vader

Billy the Kid und Darth Vader in einem Abenteuer? Auf der Leinwand wäre das undenkbar. Doch auf der Straße sieht die Sache ein wenig anders aus. Zumindest für die Motorsportler von Nissan. Denn sie haben gerade zwei Prototypen am Start, die wie die beiden Kino-Figuren zwei völlig unterschiedliche Epochen symbolisieren: Den Juke-R und den Leaf RC. Bitterböse sind sie beide, und beide stammen aus winzigen Kleinserien, die nie in Kundenhand gelangen werden. Doch wo der Juke den raubeinigen Rennwagen nach alter Väter Sitte gibt, weist der Leaf als erster Batterie-Bolide für die Rundstrecke ein gutes Stück in die Zukunft des Motorsports. Hier der brüllend laute Bösewicht mit dem 485 PS starken V6-Motor aus dem GT-R, da der flüsterleise Fiesling mit dem Antrieb des ersten familientauglichen Elektromobils aus der Großserie – und dazwischen liegen Welten, die erst so ganz langsam zusammen wachsen.

Strategie gegen Bierlaune

Selbst die Entstehungsgeschichte der beiden Fahrzeuge könnte unterschiedlicher kaum sein. Während der Leaf RC durchaus strategische Absichten hat, Skeptiker vom Spaß am Steuer eines Elektroautos überzeugen möchte und neue Wege für den Motorsport sucht, ist der Juke aus einer Bierlaune heraus entstanden. „Wenn Nissan schon so ein verrücktes Auto wie dieses Crossover-Coupé baut, dann sollten auch wir uns etwas richtig Abgefahrenes einfallen lassen“, sagt Michael Mallock vom Rennstall RML. Er ist seit Jahren mit den Japanern verbandelt und hat in diesem Geist die Idee von der Kreuzung aus Juke und GT-R entwickelt.

Atmeberaubender Juke

Wo in der Serie sonst mit 190 PS Schluss ist, warten deshalb jetzt nach einer 22-wöchigen Radikalkur 485 PS darauf, dass endlich jemand den Startknopf drückt. Vorher allerdings muss man erst einmal hinter Steuer kommen: Als würde man auf der Suche nach der letzten Socke in die Trommel der Waschmaschine klettern, zwängt man sich durch den schmalen Schlitz, der zwischen Tür, Überrollbügel[foto id=“400451″ size=“small“ position=“right“] und Dach noch bleibt. Danach saugt einen die Schwerkraft in einen engen Schalensitz und die Boxencrew zurrt die Gurte fest. Für die sonst von den Entwicklern so oft beschworene Einheit zwischen Fahrer und Fahrzeug reichen hier vier breite Bänder aus feuerfestem Kunststoff und die starken Arme von Max, dem Mechaniker. Jetzt kann man zwar kaum mehr Atmen, und Bewegungsfreiheit ist nicht mehr. Doch fühlt es sich dafür so an, als könne man den Juke allein mit einem Muskelzucken um die Kurve zwingen.

Jetzt, wo die Kletterpartie vorbei ist, lässt das Brüllen des 3,8-Liters die Boxengasse erzittern. Der Boden beginnt zu Beben, der Asphalt scheint zu kochen und der Blick fixiert die Ampel, die uns noch von der Rennstrecke trennt. Dann ruft der Instruktor auf dem Beifahrersitz „go“ und nichts ist mehr, wie es einmal war.

Die Welt im Zeitraffer

Am Fenster fliegt die Welt im Zeitraffer vorbei, die Wolkenkratzer der Skyline von Dubai scheinen sich im Fahrtwind zu biegen und der Juke schießt auf der langen Geraden zwischen den Haupttribünen davon. 588 statt 240 Nm, schreit der Begleiter in den Lärm des Sechszylinders und erklärt damit, weshalb dem Juke 3,7 Sekunden für den Sprint auf Tempo 100 reichen. Vor der ersten Kehre zeigt der Tacho schon 150, 180 Sachen und es gut zu wissen, dass auch die Bremsen aus dem GT-R kommen. Mit aller Macht beißen sie zu und werfen die Insassen noch fester in die Gurte. Willig lenkt der Juke ein, wirft sich in die Kurve, zieht nach dem Scheitelpunkt mit der unbeirrbaren Traktion seines Allradantriebs wieder an und nimmt die nächste Kehre mit Vollgas. Die 20-Zöller rubbeln über die Curbs, der Fahrer wechselt mit den Sicheln hinter dem Lenkrad die Gänge und die kleine Granate fliegt förmlich durch die Schikanen.

Mit jeder Runde wächst das Vertrauen in den Juke-R, von dem es eine Rechts- und einen Linkslenker gibt. Natürlich ist das Auto meilenweit von der Serienreife entfernt. Aber der Wagen wirkt harmonisch, zuverlässig und solide, und nicht wie ein eilig zusammengeschustertes Provisorium. Selbst die Instrumente des GT-R haben die Techniker übernommen. Wenn es nur auch für die Klimatisierung gereicht hätte! Denn nach zwei, drei Runden ist es innen so heiß geworden, dass einem der Schweiß in Strömen den Rücken hinunter läuft. So muss sich ein Grillhähnchen im Backofen fühlen.

Zeitmaschine Leaf

Wechselt man danach in den Leaf, fühlt sich das an, als werde man mit der Zeitmaschine durch die Jahrzehnte katapultiert. Die Strecke ist noch die gleiche, es geht im Wagen genauso eng zu, und wieder stöhnt man unter den straff gespannten Gurten, die einen tief in die Sitzschalen pressen.[foto id=“400452″ size=“small“ position=“left“] Doch obwohl das Auto längst warm gefahren wurde, ist es nicht nur wunderbar kalt an Bord. Sondern ohne das Stampfen der Zylinder, das Röhren aus dem Auspuff, das Klackern des Getriebes und das Vibrieren im ganzen Auto wirkt die Raserei ganz anders und man wähnt sich am Steuer eines gigantischen Slotcars auf einer in die Wirklichkeit gewachsenen Carrara-Bahn.

Dazu passt auch das Fahrgefühl im Batterie-Boliden: Weil die Japaner beweisen wollten, wie viel Spaß ein Elektroauto wie der Leaf machen kann, haben sie zwar den 109 PS-Motor und die 24 kWh großen Akkus unverändert übernommen. Aber mit der flach gedrückten Karbonkarosse das Gewicht von 1,5 auf 0,9 Tonnen gesenkt. Und vor allem haben sie den Antrieb gedreht: Jetzt sitzt der Motor zusammen mit der Batterie im Heck und treibt die Hinterräder. Das macht den Leaf RC zu einer wahren Kurvenschleuder, die man ganz elegant mit dem Gasfuß auf Kurs halten kann. Wie eine Flipperkugel kurz vor dem Freispiel fliegt die Flunder durch die Schikanen, krallt sich an die Ideallinie und fährt so einen zackigen und engen Strich, dass selbst der fünfmal stärkere GT-R aus dem Begleittross kaum hinterher kommt.

Schneller als ein Supersportler

„Je enger und kurviger der Kurs, desto mehr liegt er dem Auto“, sagt Francois Crisias. Denn auf einer[foto id=“400453″ size=“small“ position=“right“] langen Start-Ziel-Gerade sieht man mit maximal 150 km/h ziemlich alt aus. Und auch beim Sprint von 0 auf 100 in 6,5 Sekunden macht man keine ganz so gute Figur. Doch bei den ganz kurzen Vollgasintermezzos zwischen zwei schnellen Kurven, da kann der Leaf punkten und macht jeden Supersportwagen nass.

Das würde Crisias in Zukunft gerne öfter demonstrieren. Denn für ihn ist der Leaf nicht nur ein rasender Botschafter für Elektromobilität, sondern auch der Prototyp eines neuen Rennwagens. „Wir denken sehr ernsthaft über ein Motorsportprogramm mit dem Leaf RC nach“, bestätigt Crisias. Nur ist noch offen, ob Nissan dafür einen Markenpokal ausschreiben wird, sich eine Öko-Formel sucht oder die Autos an einen Promoter für dessen eigene Rennserie verkauft. „Möglichkeiten gibt es viele“, sagt Crisias. „Und Strecken auch.“ Denn mit elektrischen Rennwagen ohne Lärm und Abgase könnte man endlich zurück in die Innenstädte, ist Crisias überzeugt. „Warum sollte in New York, Paris oder London nicht funktionieren, was heute bei der Formel1 in Monaco oder Singapur schon klappt?“

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Gratwanderung

Nissan-Manager Crisias weiß um die Gratwanderung, auf die sich die Japaner mit dem Leaf RC begeben. Natürlich ist er elektrische Flachmann eine perfekte Argumentationshilfe und eine verlockende Perspektive für die PS-Fraktion. Doch darf er nicht zum Aus für Extravaganzen wie den Juke-R führen. Elektrische Autorennen können Spaß machen und spannend sein, sagt Crisias, während sein Rennwagen nah einer knappen halben Stunde mit leerem Akku an die Steckdose rollt und der Juke draußen alleine weiter röhrt. Doch müsse man das eine tun, ohne das andere zu lassen. „Oder sollen wir etwa dauerhaft auf diesen Sound verzichten?“

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