Mercedes-Benz

Vorstellung Mercedes-Benz S-Klasse: Hut ab!

Bei der jetzt präsentierten Mercedes-Benz S-Klasse müsste Adenauer seinen Hut abnehmen. Wahrscheinlich würde er ihn so gar freiwillig ziehen, aus Respekt. Chapeaux, liebe Sindelfinger!
Mercedes-Benz S-Klasse Foto: Auto-Reporter/Mercedes-Benz
Mercedes-Benz lebt schon seit Jahren den Anspruch, bei der Automobiltechnik das Maß der Dinge zu sein. Jetzt nach den offenbar abgearbeiteten Qualitätsproblemen der E-Klasse, muss sich die neue S-Klasse deswegen besonders kritische Blicke gefallen lassen. Schließlich interessiert die automobile Welt nicht nur, ob die Stuttgarter die "Kurve gekriegt" haben, sondern auch, ob sie ihren eigenen Ansprüchen gerecht werden. Nach der alten S-Klasse liegt die Messlatte hoch; denn sie scheint auch im letzten Jahr ihres Lebenszyklus immer frisch genug für den ersten Platz in der Verkaufsstatistik der Luxus-Klasse.
Sieht man den Neuen neben seinem Vorgänger, sieht der überraschend alt aus. Selbstbewusst stellt der Neue seinen Kühlergrill steiler in den Wind. Seine elegante Linie, die heutzutage immer als "coupéähnlich" beschrieben wird, die ausgestellten Radhäusern und eine Sicke an der Seite – bei Mercedes-Benz "Charakterlinie" genannt – unterstreichen die neue Dynamik. Er steht elegant und kraftvoll auf breiten Rädern, scheinbar ständig im Absprung. Wie viel zurückhaltender wirkt da doch sein Vorgänger.
So viel Selbstsicherheit hat ihren Grund. Denn die Stuttgarter haben es tatsächlich in den meisten – wenn nicht allen Eigenschaften – geschafft, mit dem Neuen ein Vorbild zu schaffen, dem andere nun nacheifern sollen. Das gilt natürlich für die Motoren und das Fahrwerk, aber erst recht für die Sicherheitsausstattung und die vielen Komfortelemente, alles unterstützt von noch mehr Elektronik.
Wer da zweifelt, ob er sich nicht mit so viel Computern auch Probleme ins Auto holt, dem halten dessen Entwickler entgegen, noch nie sei ein Mercedes-Benz gerade in dieser Hinsicht besser erprobt worden. Von 500 Testwagen ist die Rede und von 5000 unterschiedlichen Fahrern – Amateuren und Profis -, die insgesamt rund 8 Millionen Testkilometer zurückgelegt haben. Früher, so ein Entwickler, habe man wochenlang gebraucht, um den Grund für einen einmal aufgetretenen Fehler zu rekonstruieren. Jetzt bei der neuen Testtechnik mit einem Datenschreiber an Bord aller Testfahrzeuge habe man die Fehler sofort erkennen und innerhalb weniger Stunden ausmerzen können.
Viel von der Technik blüht im Verborgenen. Besonders die Sicherheitssysteme wie Pre-Safe oder das Elektronische Stabilitätsprogramm (ESP) oder die neue Distronic, die den Wagen nicht nur radarunterstützt auf Distanz zum Vordermann hält, sondern ihn auch im Stau ganz zum Stand herunterbremst. Viel kann man aber auch selbst über das Commansystem steuern. Die neue Generation des Systems lässt sich leichter bedienen, auch wegen der vielen Tasten, die einen zu dem entsprechenden Menüpunkt springen lassen. Man muss nicht mehr alles über Drehen, Drücken und Ziehen am Command-Knopf auf der Mittelkonsole erledigen, man kann aber.
Der große Bildschirm des Systems sitzt in der Mitte der beeindruckenden Armaturentafel, deren Gestaltung erst dann richtig zur Geltung kommt, wenn man sie vom Fond aus betrachtet. Der Fahrer hat allerdings trotz seines geringeren Betrachtungsabstands keinen Grund zur Klage. Besonders gefielen uns die analogen Anzeigen der wesentlichen Informationen, scheinbar über ein Zeigerinstrument, in Wirklichkeit aber als Bildschirmdarstellung kombiniert mit klassischen runden Zeigerinstrumenten.
Dieser zentrale Bildschirm wird nachts zum Fern-Seh-Schirm, wenn man sich für den Nachtfahrassistenten entscheidet. Der zeigt dank Infrarot-Kamera in guter Fernsehqualität, was der Fahrer auch bei Xenon-Licht nicht erkennen kann.
Zu so viel und noch mehr Sicherheitstechnologie passt ein Innenraum, in dem man sich sicher wie im sprichwörtlichen Abrahams Schoß fühlen kann. Extrem gute Geräuschdämmung auch durch die neuen Schallschutzfenster schaffen eine Distanz zum umgebenden Verkehr, die Souveränität erzeugt. Außerdem können sich Fahrer und Beifahrer auch ihre Sitze quasi selbst gestalten. Fast alle Parameter sind veränderbar: Länge, Breite, Härte, Position der Sitzwangen und der Lehne im Schulterbereich, Sitzheizung und -kühlung. Was wir in anderen Autos vermissen werden, ist der fahrdynamische Sitz. Der baut bei Kurvenfahrt auf der kurvenäußeren Lehnenseite des Sitzes einen Gegendruck auf und hält einen so fest.
Die Luftfederung tut ein Übriges; denn sie vermindert die Wankbewegung bei Kurven. Noch mehr leistet da die Active Body Control, das ABC Plus-Fahrwerk. Der Wagen liegt wie ein Brett eben auf der Straße. Die Lenkung ist sehr präzise, und nicht nur im Sportmodus des einstellbaren Fahrwerks vergisst man rasch, dass man gerade zwei Tonnen Gesamtgewicht in eine Spitzkehre treibt. Die neue S-Klasse ist viel handlicher und viel agiler als man es von ihr erwartet.
Zum Gefühl der sicheren Souveränität leisten natürlich auch die Motoren ihren Beitrag. Zur Markteinführung werden deren zwei angeboten. Der Sechszylinder bekannte neue Benziner im S 350 mit 200 kW/ 272 PS und einem maximalen Drehmoment von 350 Newtonmeter sowie der neue 5,5 Liter Achtzylinder im S 500. Im ersten Quartal 2006 folgt der kleine Sechszylinder-Diesel im S 320 D und später auch ein Achtzylinder-Diesel. Zur Detroit Motor-Show im Januar 2006 wird der S 600 mit Zwölf-Zylinder-Motor seine Premiere erleben.
Der neue Achtzylinder-Benziner ist einen genaueren Blick wert. Er leistet 285 kW/ 388 PS und wuchtet 530 Newtonmeter Drehmoment an die Räder. Die Fahrleistungen für die Normal- und die Langversion werden mit einer Beschleunigung von 5,4 Sekunden von 0 auf 100 km/h angegeben, die Höchstgeschwindigkeit mit den in dieser Klasse üblichen – abgeregelten – 250 km/h. Beim Durchschnittsverbrauch soll er unter zwölf Litern bleiben und damit weniger als der deutlich schwächere Vorgänger im alten S 500 verbrauchen.
Alles hat seinen Preis, erst recht dann, wenn man alle Komfort- und Sicherheitsfeatures um sich herum wissen will. Der "kurze" S 350 kostet etwas mehr als 70 000 Euro, der lange mit besserer Ausstattung mehr als 78 000 Euro. Bei S 500 beginnen die Preise bei knapp 90 000 Euro für den kurzen und erreichen mehr als 95 000 Euro für den mit langem Radstand. Der kleine Diesel soll rund 2000 Euro unter dem Preis des S 350 bleiben. Wer meint, damit sei alles bezahlt, der werfe mal einen Blick in die Liste mit den Preisen für die Sonderausstattungen. Da kommen schnell noch einmal 20 000 Euro dazu. Den Hut wird man aber trotzdem abnehmen müssen. (ar/Sm)
(Weitere Fotos finden Sie bei unseren Kollegen von www.unitedpictures.com)
Von Peter Schwerdtmann
22. September 2005. Quelle: Auto-Reporter

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