Saab

60 Jahre Saab 92 bis 96 – Schwedische Himmelsstürmer

Ursprünglich sollte er nur ein robuster Kleinwagen werden, mit dem der Kampfflugzeughersteller Saab (Svenska Aeroplan Aktiebolaget) die auftragsschwachen Nachkriegsjahre überbrücken wollte. Aber dann entwickelte sich der 1950 erstmals ausgelieferte Ur-Saab zu einer über dreißig Jahre produzierten und weltweit erfolgreichen Bestsellerbaureihe, die den Flugzeugspezialisten aus Linköping in die elitäre Liga der  ingenieurgetriebenen Automobilmarken aufsteigen ließ.

Zunächst mit spektakulärer Stromlinie und Sporterfolgen bei den ersten schwedischen Volksautos 92/93, dann mit Sicherheitsinnovationen und Solidität bei den Nachfolgetypen 95 und 96. Mit dem vor genau 50 Jahren präsentierten Saab 96 entwickelte sich das Aeronautikunternehmen endgültig zur automobilen Charaktermarke, die ihre oft schrulligen [foto id=“332396″ size=“small“ position=“left“]Modelle von Beginn an in den tiefen Wäldern im westschwedischen Trollhättan vom Band liefen ließ. Dennoch avancierten alle frühen Saab mit aerodynamischem Design und aeronautischer Technik zu kleinen Himmelsstürmern in den Verkaufsstatistiken.   

Verwandtschaft zu den Jets

Die enge Verwandtschaft zu den Jets symbolisierten bereits Modellbezeichnung und Logo des ersten Saab-Automobils: So schloss der Name 92 nahtlos an die bisherige Nomenklatur des Unternehmens an, hießen doch die beiden vorherigen Flugzeugprojekte Scandia 90 und Safir 91. Der Schriftzug „SAAB“ wurde auf dem Modell 92 links und rechts von zwei [foto id=“332397″ size=“small“ position=“right“]Tragflächen und auf späteren Typen von Flugzeugprofilen getragen. Passend dazu stammten die ersten Zeichnungen für den Ur-Saab vom Luftfahrtingenieur Gunnar Ljungström, der sich in der Formensprache am Profil einer Tragfläche orientierte. Endgültige Formen nahm das neue Automobil an, nachdem der renommierte Industriedesigner und ehemalige Pilot Sixten Sason hinzugezogen worden war. Schon der erste Prototyp, der Saab 001, glänzte dank aerodynamischer Form und glatten Unterbodens mit einem Luftwiderstandsbeiwert von 0,32 und sorgte so bereits weit vor der Premiere im Handel weltweit für Schlagzeilen. Tatsächlich bestand das gesamte 15köpfige Entwicklungsteam aus Luftfahrttechnikern, von denen nur wenige imstande waren, ein Automobil zu fahren.

Die fahrdynamischen Talente

Umso überraschender waren die fahrdynamischen Talente, mit denen der Saab 92 die Presse bei der ersten Fahrvorstellung am 10. Juni 1947 verblüffte. Als Triebwerk fungierte[foto id=“332398″ size=“small“ position=“left“] ein von den Ingenieuren Rolf Mellde und Olle Lundbil überarbeiteter, quer eingebauter DKW-Zweitakter mit 764 ccm Hubraum und 18 kW/25 PS Leistung. Der damals noch neuartige Vorderradantrieb und stattliche 15-Zoll-Räder garantierten gute Traktion auf schwedischen Schotterpisten, mehr noch aber auf Schnee und Eis – beste Basis für die spätere Rallyekarriere des Saab 92.  Die Verwandtschaft zu den DKW-Konstruktionen kam nicht von ungefähr: Schon in den 1930er Jahren zeigten sich die Zschopauer-Zweitakter auf den damals meist unbefestigten schwedischen Straßen den populären amerikanischen Straßenkreuzern und frühen Volvo-Limousinen fahrdynamisch überlegen.  

Serienproduktion

Nach fast fünfjähriger Entwicklungszeit startete im Dezember 1949 die Serienproduktion der anfangs ausschließlich waldgrün lackierten Saab 92 und wenige Monate später begann die Auslieferung des ersten schwedischen Kleinwagens an die Kunden. Wichtigstes Marketinginstrument war von Beginn an das Motorsportengagement der flinken Zweitakter. Bereits im Dezember 1949 hatte ein privater Händler und Rallyefahrer aus Norrköping auf einem Vorserien-Saab die [foto id=“332399″ size=“small“ position=“left“][foto id=“332400″ size=“small“ position=“left“]Rallye „Östergotland-Runt“ gewonnen, dabei wollte er eigentlich nur die Wirkung des Wagens auf das Publikum testen. 1950 starteten schon zwei Zweitakter-Teams bei der Rallye Monte Carlo und 1953 sicherte Ingenieur Rolf Mellde Saab erstmals den Titel des schwedischen Rallyemeisters. Kurz danach verschaffte sich der schnelle Flitzer in den USA Anerkennung mit einem Sieg bei der Great American Mountain Rallye. Bis zu den ganz großen Erfolgen von Erik Carlsson, dem ersten Superstar des Rallyesports, sollten allerdings noch einige Jahre vergehen. „Mister Saab“, wegen einiger spektakulärer Überschläge auch „Carlsson auf dem Dach“ genannt, landete einen Hattrick bei der britischen RAC-Rallye (1960-1962), gewann zweimal die Rallye Monte Carlo (1962/63), war Seriensieger bei den Rallyes in Schweden und Finnland und sorgte mit einem dritten Platz für Furore unter den PS-Monstern bei der amerikanischen Baja California. Später führte Rallye-Idol Stig Blomqvist die heikle Kunst des Linksbremsens ein, um den Fronttriebler kurvengieriger zu machen, konnte damit aber gegen hochgerüstete Rivalen wie Lancia Stratos und Renault Alpine nur noch Achtungserfolge erzielen. Ungebrochen blieb aber der Werbewert der spektakulären Sporteinsätze, die Kleinwagen aus Trollhättan gewannen Fans auf allen Kontinenten und Saab gründete Tochterunternehmen. In Deutschland übrigens erst 1973, nachdem sich seit 1965 ein „Saab Kontaktbüro“ um die Ersatzteilbeschaffung gekümmert hatte.

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Sicherheits- und Ausstattungsinnovationen

Bei den Sicherheits- und Ausstattungsinnovationen stand Saab stets im Wettstreit mit Volvo, dem bisweilen übermächtigen, aber einzigen einheimischen Rivalen,[foto id=“332402″ size=“small“ position=“left“] der ebenso wie Saab auf das Exportgeschäft angewiesen war. Mal hatte Trollhättan die Nase vorn, dann wieder Göteborg. Förderlich für den Amerikastart von Saab waren flexible Türtaschen als Flaschenhalter, fast zugfreie Belüftung durch halbkreisförmig öffnende Seitenscheiben, serienmäßige Becken-Sicherheitsgurte (ab 1957) und der erste siebensitzige kleine Kombi (Saab 95, 1960). Eine der weltweit ersten Sicherheitsfahrgastzellen, das erste diagonal aufgeteilte Bremssystem, Kopfstützen, gepolsterte Sicherheits-Sonnenblenden, Scheinwerferwischer und ein aufprallgeschützt angeordneter Tank rundeten das Innovationspaket für die kleinen Schweden ab.

Renn-täng-täng

So fuhren die flinken, keine vier Meter messenden Trolle ihrer Zeit stets weit voraus. Bis auf den Zweitaktmotor, dessen Renn-täng-täng zwar alle Rallye- und Rundstreckentriumphe mit [foto id=“332403″ size=“small“ position=“right“]einem unverwechselbaren Knattern untermalte, der aber von Beginn an nicht zum futuristischen Aeronautik-Layout der flotten Flitzer passen wollte. Daran änderten auch Evolutionsstufen wie der 1954 eingeführte Saab 92B mit einer Leistungssteigerung auf 21 kW/28 PS nichts oder der Dreizylinder-Zweitakter im Saab 93. Das Aus für den quengelnden, blaue Rauchwolken ausstoßenden, bei schneller Fahrt durstigen und anachronistischen Zweitakter kam nicht einmal mit Präsentation des neuen Kombis 95 (1959) oder dem Debüt des reiferen und üppiger wirkenden Saab 96, der als GT 850 sogar wettbewerbsfähige 38 kW/52 PS Leistung erhielt. Erst der Einbruch der Verkaufszahlen auf dem Heimatmarkt und in den USA, wo die Kunden an den „Regular“-Zapfsäulen bedient und nicht länger als Fahrer von „Stinky Toys“ bezeichnet werden wollten, führten zur Umstellung auf Viertakt-Vierzylinder.

In einer Geheimoperation bereitete sich Saab auf den 2. August 1966 vor. An diesem Tag feierte der 96 V4 mit 48 kW/65 PS starkem Viertakt-Vierzylinder Premiere. Motorenlieferant [foto id=“332404″ size=“small“ position=“left“]war Ford, dort sorgte das Triebwerk im Modell 15 M für Vortrieb an den Vorderrädern. Der Saab V4 beschleunigte jetzt auf 150 km/h (gegenüber 130 km/h beim Standard-Zweitakter) und steigerte die jährlichen Absatzzahlen in Schweden um fast ein Drittel im Vergleich zum Vorgänger. Ein Aufschwung, der sogar nach Einführung des neuen großen Saab 99 vorübergehend anhielt. Möglich machten dies jährliche Modellpflegemaßnahmen, so erhielt der Saab 96 größere Front- und Heckscheiben, 1975 schwarze Sicherheitsstoßstangen und im Herbst 1977 größere Leuchten sowie einen Heckspoiler. Zu diesem Zeitpunkt war der Troll längst zu einem schrill-schrulligen Klassiker gereift, der sich – wenn auch in kleiner Dosis – von allein verkaufte, ähnlich wie etwa der Volkswagen Käfer oder der englische Mini. Der Abschied für den Saab 96 erfolgte auf Raten: Im April 1978 endete die Fertigung im schwedischen Malmö und am 11. Januar 1980 lief das letzte Exemplar im finnischen Uusikaupunki vom Band.[foto id=“332405″ size=“small“ position=“left“]

Anders als alle anderen

Wie fast jeder Saab wurden auch die Modelle 92 bis 96 geliebt, weil sie anders als alle anderen waren. Grund genug für Spyker, den heutigen Eigentümer der schwedischen Charaktermarke, einen Nachfolger für die urtümlichen Trolle in Auftrag zu geben. In drei Jahren soll wieder ein Saab 92 die Kunden betören und Saab zu neuen Höhen auf Straße und Strecke führen – ähnlich wie dies BMW mit der Neuinterpretation des Mini vermochte. Vorausgesetzt Saab gelingt es, Geld für die Entwicklungskosten des jüngsten Trollkinds aufzubringen…

Lesen Sie weiter auf Seite 3: 60 Jahre Saab 92 bis 96 – Schwedische Himmelsstürmer – Teil III

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Modellhistorie Saab 92 bis 96
   
Ausgewählte Produktionszahlen:

Saab 92 (1946 bis 1956) mit 20.152 Einheiten, davon 24 Prototypen und 14.828 Saab 92B

Saab 93 (1955 bis 1960) mit 52.731 Einheiten, davon 605 GT 750, von denen 546 in die USA exportiert wurden

Saab 95 (1959 bis 1978) mit 110.527 Einheiten

Saab 96 (1960 bis 1980) mit 547.221 Einheiten

 
Wichtige Motorisierungen:

Saab 92 (1949 bis 1952) mit 0,8-Liter-(18 kW/25 PS)-Zweizylinder-Zweitakt-Benziner

Saab 92B (1952 bis 1956) mit 0,8-Liter-(21 kW/28 PS)-Zweizylinder-Zweitakt-Benziner

Saab 93/93B (1955 bis 1957/1957 bis 1960) mit 0,8-Liter-(24 kW/33 PS)-Dreizylinder-Zweitakt-Benziner

Saab 93 GT 750 (1958 bis 1960) mit 0,8-Liter-(33 kW/45 PS)-Dreizylinder-Zweitakt-Benziner

Saab 95 (1959 bis 1968) mit 0,8-Liter-(28 kW/38 PS)-Dreizylinder-Zweitakt-Benziner

Saab 95 V4 (1966 bis 1978) mit 1,5-Liter-(48 kW/65 PS)-Vierzylinder-Viertakt-Benziner

Saab 96 (1960 bis 1968) mit 0,8-Liter-(28 kW/38 PS)-Dreizylinder-Zweitakt-Benziner

Saab 96 Sport / GT 850 (ab 1965 „Monte Carlo“) (1962 bis 1966) mit 0,8-Liter-(38 kW/52 PS)-Dreizylinder-Zweitakt-Benziner

Saab 96 V4 (1966 bis 1980) mit 1,5-Liter-(48 kW/65 PS)-Vierzylinder-Viertakt-Benziner

 
Ausgewählte Preise:

Saab 92 und 92B ab 6.630 Skr

Saab 93 und 93B ab 6.630 Skr

Saab 95 ab 7.990 Skr (1959)

Saab 95 V4 ab 10.045,50 Mark (1969)

Saab 96 ab 6.990 Mark (1967)

Saab 96 V4 de Luxe ab 8.500 Mark (1967)

Saab 96 V4 de Luxe ab 8.880 Mark (1969)

Saab 96 V4 de Luxe ab 9.490 Mark (1972)

Saab 96 GL ab 13.290 Mark (1979)

 
Chronik:

1945: Im Herbst entscheidet sich die Geschäftsführung des Flugzeugherstellers zur Fertigung von Autos. Die ersten Designentwürfe für den Saab 92 stammen vom Luftfahrtingenieur Gunnar Ljungström, die endgültige Formensprache wird von Industriedesigner Sixten Sason definiert

1947: Am 4. Juni wird dem Management von Saab ein Prototyp des 92 gezeigt. Nur sechs Tage später, am 10. Juni, findet die Pressevorstellung statt.

1949: Produktionsstart des Saab 92 im Dezember

1950: Ab 16. Januar Auslieferung der ersten Kundenfahrzeuge. Zwei Teams starten bei der Rallye Monte Carlo auf Saab 92. Im November gewinnt Saab den Rikspokalen mit Rolf Mellde

1952: Greta Molander und Helga Lundberg gewinnen bei der Rallye Monte Carlo in der Ladies Class

1953: Rolf Mellde gewinnt die Schwedische Meisterschaft. Die Saab 92 erhalten eine erste Modellpflege, vor allem sichtbar durch das vergrößerte Heckfenster. Der Name wird auf 92B geändert

1954: Der 10.000. Saab wird am 6. März ausgeliefert. Fortan leistet der Zweizylinder-Zweitakter 28 statt 25 PS. Der 92 ist jetzt auch in den Farben grau, blau-grau, grün, rot-braun und schwarz erhältlich sowie optional mit Faltdach

1955: Erik Carlsson („Carlsson auf dem Dach“) gewinnt auf einem Saab 92 den Rikspokalen. Am 1. Dezember wird der Saab 93 vorgestellt

1956: Bob Wehmann und Louis Braun gewinnen die vierte und letzte Great American Mountain Rallye, Rolf Mellde wird Sechster und ein weiterer Saab 93 belegt den siebten Platz. Zur Jahreswende werden die letzten Saab 92 gebaut

1957: Einführung von optionalen Zweipunkt-Beckengurten

1958: Der fortan als 93B geführte Saab präsentiert sich ab diesem Modelljahr mit ungeteilter Frontscheibe. Beckengurte gehören nun zum Serienumfang. Auf der New York Auto Show feiert der Saab Granturismo (GT) 750, die Sportversion des 93, Premiere. Ein Großteil der GT 750 werden in die USA geliefert, nur etwa 20 sollen in Schweden geblieben sein

1959: Im Mai debütiert der Saab 95, die Produktion läuft im Spätherbst an. Die ersten Prototypen waren zweifarbig lackiert. Saab 93 mit serienmäßiger Scheibenwaschanlage. Zwei Saab 93 treten bei den 24 Stunden von Le Mans an. Mit den Fahrern Sture Nottorp und Gunnar Bengtsson belegt ein Saab 93 den zwölften Platz in der Gesamtwertung und den zweiten in seiner Klasse. Erik Carlsson gewinnt bei der Midnight Sun Rallye

1960: Nach der letzten Überarbeitung des 93 läuft der Saab unter dem Namen 93F. F steht dabei für „front-hung“ doors, die Türen sind also fortan vorne und nicht mehr hinten angeschlagen. Am 17. Februar feiert der Saab 96 Premiere

1961: Erik Carlsson wird bei der Rallye Monte Carlo auf einem Saab 95 Vierter

1962: Eric Carlsson und Gunnar Häggbom gewinnen die Rallye Monte Carlo

1963: Eric Carlsson gewinnt erneut die Rallye Monte Carlo, diesmal mit Beifahrer Gunnar Palm

1966: Die Saab V4-Modelle mit Ford-Vierzylinder-Viertakt-Motor werden am 2. August präsentiert

1967: Vorstellung des Facelifts zum Modelljahr 1968 mit modifizierter Frontgestaltung

1968: Produktionsende für den Zweitaktmotor

1971: Auf einem Saab 96 V4 gewinnt Stig Blomqvist die Swedish Rallye

1974: Facelift mit neuer Frontgestaltung

1976: „Selbstreparierende“ Sicherheitsstoßfänger und Interieurmodifikationen

1978: Im Februar läuft die Produktion des 95 aus

1980: Im Januar endet die Produktion des 96. Saab beendet vorläufig das Rallye-Engagement

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