Concours d’Elegance in Pebble Beach – Am Schmiernippel der automobilen Weltachse

11,7 Millionen zum Ersten, 11,7 Millionen zum Zweiten, 11,7 Millionen zum Dritten – verkauft: Es braucht nicht viel mehr als einen Hammerschlag, dann ist der schwarze Mercedes 540K Roadster der Baroness Giesela von Krieger aus dem Jahr 1936 der teuerste Mercedes aller Zeiten und die Auto-Afficionados im klimatisierten Zelt neben dem Golfplatz von Pebble Beach nicken zufrieden. Mit dem Weltrekord für den teuersten je versteigerten Oldtimer hat es zwar nicht geklappt.

Aber einmal mehr hat der Concours d’Elegance seinem Ruf alle Ehre gemacht: Weil sich auf dem legendären 18. Grün und bei den vielen Veranstaltungen drum herum alles um die teuersten, schönsten oder seltensten Autos dreht, wird die Halbinsel von Monterey jedes Jahr im August eine Woche lang zum Schmiernippel der Weltachse. So, wie sie an der Wallstreet den Aktienkurs festlegen, in der Oscar-Nacht die Stars machen und bei der Olympiade die besten Sportler der Welt krönen, [foto id=“431836″ size=“small“ position=“left“]gibt es hier den Ritterschlag für PS-Pretiosen, der bei den Auktionen rund um das Schaulaufen der PS-Schönheiten schnell zu barer Münze wird.

Was im letzten Jahr noch auf dem Rasen stand und von den kritischen Juroren beäugt wurde, taucht vielleicht in diesem Jahr schon in den kiloschweren Katalogen von Gooding, Bonham’s oder R & M auf: Sicher an die tausend Autos bringen die Herren mit dem Hammer mit jenem charakteristischen Singsang zum Aufruf, den man nach ein paar Minuten einfach nicht mehr aus dem Ohr bekommt. In einer Atmosphäre wie im Bierzelt auf dem Oktoberfest klettern die Preise oft in Schritten zu 100.000 Dollar, und im Minutentakt wechseln millionenschwere Oldtimer den Besitzer: Der Ford GT40 aus dem Kinofilm „Le Mans“ bringt elf Millionen, für einen Bentley Le Mans von 1928 werden 6 Millionen bezahlt und der 1938 gebaute Horch 853A geht für 5,2 Millionen weg. Am Ende haben die Auktionshäuser an einem Wochenende weit mehr als 100 Millionen Dollar umgesetzt. Kein Wunder, dass immer mehr Menschen Oldtimer auch als Wirtschaftsfaktor sehen, sich die ersten Banken dieses Investments auf Rädern annehmen und allein in Europa jedes Jahr rund 20 Milliarden Euro für Kauf, Reparatur und Betrieb [foto id=“431837″ size=“small“ position=“right“]von Klassikern ausgegeben werden.

Knapp 1,2 Millionen Fahrzeuge davon haben einen Wert von weniger als 15.000 Euro, sagt Auto-Anlageberater Florian Zimmermann von der Berenberg-Bank in Hamburg und schürt damit das Interesse der volkstümlichen Sammler. Doch damit sich niemand einer falschen Illusion hingibt: Mit so einem Auto wird man es wohl nie aufs Green von Pebble Beach schaffen, geschweige denn auf die Tribüne, über die am Nachmittag die Sieger fahren.  „Wer hier eine Chance haben will, braucht nicht nur ein perfekt restauriertes Auto, sondern auch eine absolute Rarität mit einer einzigartigen Geschichte“, sagt Frank Barcelona mit Blick auf seine Favoriten: Dazu zählen ein Rolls-Royce 17EX von 1928, ein Dusenberg aus dem Fuhrpark eines indischen Maharadscha oder ein Mercedes 540K, wie er bei Gooding gerade versteigert wurde. Und natürlich gibt es auch den ein oder anderen Bugatti, Delage oder Hispano Suiza, dem Barcelona eine Chance einräumt. Er sollte es wissen. Schließlich zählt er zum Inventar in Pebble Beach, ist seit über drei Jahrzehnten [foto id=“431838″ size=“small“ position=“left“]dabei und war selbst schon in der Jury.

Diese Männer, pro Jahr immerhin fast 100 Kenner der Karossen, inspizieren die Autos gründlicher als jeder TÜV-Prüfer, haken ihre Checklisten ab und gehen bis ins kleinste Detail. Dabei sind sie mitunter gnadenlos: Ein falsches Kabel, eine schiefe Zierleiste oder Stoffmuster aus einer falschen Epoche können schon für zehn Punkte Abzug reichen und einen Sammler vom Star zum Stümper stempeln.  „Dass hier einer mit der vollen Punktzahl als Sieger vorfährt, hat es deshalb quasi noch nie gegeben.“ Das gilt auch für den 1928er Mercedes 680S mit einer Torpedo-Karosserie von Jacques Saoutchik, der in diesem Jahr zum besten Auto der Show gewählt wird.

Während die Besitzer der Fahrzeuge nervös auf die Jury warten wie der Sünder auf den Beichtvater, haben die angeblich immerhin 100.000 Zuschauer einen Heidenspaß auf dem Green: Sie zahlen zwar 225 Dollar Eintritt, bekommen dafür aber auch ein Best-Of der schönsten Autosammlungen der Welt geboten. Das genießen sie typisch amerikanisch in Boxershorts, Turnschuhen und Hawaihemd und schlürfen Champager aus Plastikkelchen oder Kaffee aus Pappbechern, [foto id=“431839″ size=“small“ position=“left“]während dazu klassische Musik aus den Lautsprechern perlt. So wird zumindest für einen Tag der Luxus demokratisiert und selbst der nobelste Oldtimer zum Gemeingut.

Das ist nicht immer und überall so

Ein streng limitiertes Kontingent von Karten zu Preisen ab 400 Dollar aufwärts garantiert zum Beispiel beim „Motorsport Gathering“ vor der Quail-Lodge eine gewisse Exklusivität. Wer trotzdem rein kommt, sieht nicht nur eine weitere Fülle von Oldtimern, sondern auch eine Handvoll moderner Autos. „Denn wo so viele leidenschaftliche Sammler zusammen kommen, lassen sich auch mit neuen Fahrzeugen gute Geschäfte machen“, sagt Florian Zimmermann, der bei der Hamburger Berenberg-Bank das Ressort für Oldtimer-Investments leitet. Kein Wunder also, dass auf dem kurz geschorenen Rasen ein halbes Dutzend neuer Rolls-Royce, jede Menge vornehmer BMW, viele Bugatti und Ferrari oder eine ganze Flotte von Bentleys fahren. Der ungewöhnlichste Neuwagen ist allerdings der Bugatti von Peter Mullin. Denn obwohl noch keinen Kilometer gefahren, hat er schon über 70 Jahre auf dem Buckel. Hintergrund ist die traurige Geschichte vom Tod Jean Bugattis, der 1939 bei einer Testfahrt verunglückte und den Typ 64 nicht mehr fertig stellen konnte. Über viele Umwege gelangte das Chassis mit der Nummer #64002 an den begeisterten US-Sammler, der jahrelang mit Designern und Historikern eine neue Form im alten Geist entwickelt und den stromlinienförmigen [foto id=“431840″ size=“small“ position=“right“]Flügeltürer jetzt erstmals mit einer Karosserie gezeigt hat.

Wo es auf The Quail nach Champagner riecht und nach Austern schmeckt, geht es 20 Meilen weiter um Tacos und Dosenbier. Denn der „Concours de LeMons“ ist das krasse Gegenteil zum Luxusleben rund um den echten Concorso: Mit viel Ironie und gesunder Selbstkritik küren das rund 500 Gäste aus einer Flotte von mehr als 70 Fahrzeugen wie dem AMC Gremlin, dem Ford Pinto, dem Mercury Grand Marquis oder dem VW Phaeton das hässlichste Auto der Welt und haben einen Heidenspaß dabei: „Kein Auto ist so hässlich, dass es nicht Fans und Liebhaber hätte“, sagt Organisator Alan Galbraith und setzt sich bewusst von den Millionären auf der anderen Seite der Insel ab: „Es gibt schließlich auch ein paar Normalverdiener mit Benzin im Blut.“ Wie wenig Geld man bei den Zitronen für die Teilnahme braucht, beweist Veranstalter Galbraith mit seinem eigenen Porsche 912, den er noch am Vortag des Concours eigens in Monterey gekauft hat: „Viel mehr als eine Handvoll Dollar  wollte der Händler gar nicht haben.“[foto id=“431841″ size=“small“ position=“left“]

Auch die Millionäre müssen allerdings manchmal den Gürtel etwas enger schnallen. Nicht immer geht die Rechnung auf. Bei bei Gooding, Bonham’s & Co bleiben eine Handvoll Oldtimer stehen, weil sie ihr Mindestgebot nicht erreicht haben. Und auch beim Concours de LeMons sind nicht alle zufrieden. Kevin Downey in seinem gelben International Scout von 1978 zum Beispiel will partout keinen finden, der ihm seinen rostigen Geländewagen für 5.000 Dollar abkauft. Selbst als er den Preis auf 4.000, 3.000 und am Ende sogar 1.500 Euro senkt, springt niemand an. Doch anders als die Besitzer der sündhaft teuren Oldtimer sieht Downey das eher pragmatisch. Während die PS-Pretiosen von der Auktionsbühne herunter direkt in die Anhänger der Spezialtransporter rollen, schwingt er sich kurzerhand hinter das Lenkrad seiner frisch gekürten Zitrone und lässt den Motor an: „Dann fahre ich den Wagen eben bis zum Concours im nächsten Jahr weiter – wenn er nicht vorher auseinander fällt.

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