Panorama: Tuning in Tokio – Im Wahn des Wankels

Besonders schmuck ist die Gegend hier nicht: Man fährt vorbei an schier endlosen Lagerhallen, durchs Regengrau sieht man die Aufbauten von Überseefrachtern, und wo man hinschaut steht Laster an Laster. Dass ausgerechnet hier, mitten im Hafen von Tokio einer der berühmtesten japanischen Autotuner seine Werkstatt hat, will man kaum glauben. Doch plötzlich tut sich zwischen ein paar Trucks eine Lücke auf und man blickt durch ein offenes Rolltor auf die Hebebühnen von „Knight Sports“.

Eine Werkstatt, die kaum größer ist als eine europäische Doppelgarage, ist das Zentrum von Makato Kamazukas-Tuning-Welt, den Mazda-Fahrer in Japan mindestens so verehren wie Mercedes-Fahrer bei uns [foto id=“410347″ size=“small“ position=“left“]Brabus-Chef Bodo Buschmann. Denn kein anderer hat schon so viele Mazda-Modelle flott gemacht wie Kamazuka. Immerhin gibt es den Tuning-Ritter jetzt seit 40 Jahren.

Begonnen hat alles in einer noch kleineren Garage, in der er an einem Mazda Familia geschraubt hat. Nicht, weil er damit Geld verdienen musste, sondern weil er damit Rennen fahren wollte. So hat er es zum Teamchef und Rennstall-Ausstatter gebracht, bekam den Segen von Mazda als offizieller Tuningparter und hatte gleichermaßen Erfolg auf der Strecke wie in der Boxengasse. Denn während er es 1976 als erster japanischer Rennfahrer zu den 24 Stunden von Daytona und in den Jahren danach zum Grand Prix nach Macau geschafft hat, wuchs auch seine Firma immer weiter. Und als irgendwann bei den Japanern die Begeisterung für den Rennsport nachließ, hat er das Programm auf Straßenfahrzeuge ausgeweitet.

Natürlich bekommt man bei ihm auch ein tiefergelegtes Fahrwerk für den Mazda3 oder Spoiler und Schweller für den Mazda2. „Aber mein Herz hängt an den Sportwagen mit Wankelmotor“, sagt Kamazuka. Da kennen er und seine neun Mitarbeiter sich aus und wissen, was zu holen ist. Nicht umsonst hat er bis zu 100 Kunden im Monat, die seine kleine Werkstatt ordentlich in Beschlag nehmen. „Viele davon kommen natürlich nur zum Ölwechsel oder einem kleinen Service, [foto id=“410348″ size=“small“ position=“right“]und manche wollen nur einen neuen Chip.“

Aber alle paar Wochen erledigt er einen Totalumbau, für den dann gerne auch mal ein paar hunderttausend Euro fällig werden: Anbauteile aus Karbon, Spoiler groß wie Bügelbretter, Schweller bis zum Boden, ein Rennfahrwerk zum Knochenschütteln, schmale Sitzschalen, grelle Zusatzbeleuchtung in Xenon oder Laserblau – wenn so ein Auto nach ein, zwei Wochen aus Kamazukas Ritterburg rollt, ist es oft nur noch am Firmenlogo als Mazda zu erkennen.

Ganz so toll hat es Futami Tomoyasu nicht getrieben. Er besitzt seinen RX-8 jetzt gerade mal drei Jahre. Kaum hatte er das Auto in Händen, ist er damit schon zum Ritter der Rotary-Motoren gefahren und hat das Auto tunen lassen. Eine Million Yen haben ihn die Schweller und Schürzen und der neue Chip für ein wenig [foto id=“410349″ size=“small“ position=“left“]mehr Leistung gekostet. Jetzt ist er jeden Tag mit dem Sportwagen unterwegs. Denn ein zweites Auto kann sich der Bauingenieur nicht mehr leisten. Und einen zweiten Parkplatz erst recht nicht.

Schon der R-X8 ist für ihn eine Billiglösung. „Eigentlich hätte ich lieber einen RX-7 gekauft“, räumt Tomoyasu ein. Doch obwohl dieser Wankelsportler bereits vor zehn Jahren ausgelaufen ist, wird er in Tokio meist teurer gehandelt als ein fabrikneuer RX-8. „Kein Wunder“, sagt Ober-Ritter Kamazuka: „Dank des Turbos kann man aus seinem Wankelmotor viel mehr Leistung holen. Selbst bei einem Straßenauto sind 400 PS kein Problem.“

Spricht man Knightsport-Chef Kamazuka und seine Rotary-Ritter auf die Tuning-Szene in Tokio an, werden die Schnellfahrer ein wenig schmallippig. „Was man aus dem Film ‚Fast & Furious’ kennt, ist wie alles aus Hollywood – ein bisschen übertrieben“, sagt RX-8-Fahrer Tomoyasu. Er jedenfalls hält sich brav an [foto id=“410350″ size=“small“ position=“right“]die Gesetze. Was er einbaut, das hat den Segen des japanischen TÜV. Und seine Kunden seien eher Cruiser als Fighter, die sich nächtens zum PS-Gipfel auf der Raststätte treffen, statt wie die Geistesgestörten durch die Stadt zu schießen. Das zumindest ist die offizielle Darstellung.

Die inoffizielle sieht ein bisschen anders aus. „Natürlich kauft sich von uns keiner einen teuren Sportwagen und steckt noch einmal den Listenpreis in das Tuning, um dann mit 90 über den Autobahn zu schleichen “, sagt Hideyuki Tsuda, der ein verdächtig nach dem japanischen Bruder von Elvis aussieht. „Klar geben wir auch mal Gas und lassen es richtig krachen“, schwärmt der 39jährige und gibt seinem 400 PS starken  RX-7 von 1999 [foto id=“410351″ size=“small“ position=“left“]ordentlich die Sporen.

Wo man in unseren Breiten dafür am liebsten aufs Land und am besten gleich in die Berge fährt, drängt es die Tokioter mitten in die Stadt: Der knapp 15 Kilometer lange Autobahnring C1 ist es, auf dem sie genau wie in unzähligen Computerspielen rund um das Zentrum die Muskeln spielen lassen. Die Strecke kennt er wie seine Westentasche. Denn wenn er nicht gerade am Schreibtisch oder am Steuer sitzt, trainiert Tsuda für die nächsten Ausfahrten auf seiner Play-Station. Trotzdem ist er von der Bestzeit noch weit entfernt. „230 hatte ich schon auf dem Tacho“, räumt er mit einem verschmitzen Grinsen ein. Aber gegen den anonymen Rekordhalter war das fast eine Kriechfahrt. Wenn stimmt, was Tsida so ehrfürchtig erzählt, hat er die 14,1 Kilometer in 2:50 Minuten geschafft. Das wäre Schnitt von fast 300 km/h, rechnet der RX8-Fahrer vor, kann es selbst kaum glauben und hat dafür nur ein Urteil übrig: „Wahnsinn, wir müssen verrückt sein.“

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