Peking 2012: Chinesen wollen keine chinesischen Autos

Die Chinesen kaufen zu wenige chinesische Autos. Chinas Hersteller bangen um ihre Zukunft, während speziell die deutschen Hersteller mit wachsenden Geschäften im Reich der Mitte rechnen. Die „2012 Beijing International Automotive Exhibition“ (kurz: Auto China) wird daran wenig ändern. Wenn in ein paar Stunden die Tore des Messegeländes in Chinas Hauptstadt fürs Publikum öffnen, werden die Chinesen wieder die Europäer belagern und Hallen mit den eigenen Marken verschmähen.

Zulassungs-Boom und der Glaube an die Zukunft haben die Abneigung gegenüber den eigenen Marken zunächst verdeckt. Angesichts eines Zuwachses bei den Zulassungen im Jahr 2010 um 32 Prozent und kräftiger staatlicher Kaufzuschüsse planten die meisten chinesischen Hersteller neue Fabriken. Viele wurden schon im vergangenen Jahr bei nur noch 2,5 Prozent Wachstum wieder in Frage gestellt und dieses [foto id=“415702″ size=“small“ position=“left“]Jahr bei schrumpfendem Markt gestoppt. Das Gespenst der Überkapazitäten geistert durch die Messehallen. So manche Marke wird das Ende des Geschäftsjahres nicht mehr erleben, hört man bei vielen Gesprächen im Vorfeld der Messe an den Pressetagen.

Schon auf den 24 Kilometern vom Hotel bis zum Messegelände wird der Kern des Problems sichtbar. Wir brauchen 90 Minuten, stehen in vier Spuren plus Standspur mehr als dass wir rollen. Der Kampf um jeden Zentimeter beherrscht die Szene. Zu wenige Autos sind nicht das Problem in den chinesischen Großstädten. Doch sucht man nahezu vergeblich nach wirklich in China entstandenen Automobilen. Hier steht das im Stau, was der Chinese bewundernd ABB-Autos nennt: Audi, BMW und Benz, daneben viele Kooperationsprodukte europäischer Hersteller aus deren chinesischen Joint Ventures und Koreaner, aber eben keine Chinesen.

Unser Hotel liegt in Sanlitun, einem Neubauviertel, nur geschaffen für die Edelmarken dieser Welt. Hier beherrschen nicht etwa chinesische Schriftzeichen, sondern lateinische die Szene. Wer sich umschaut, sieht zweierlei: alle Nobelmarken der westlichen Welt, die etwas auf sich halten, und viele junge Menschen, die [foto id=“415703″ size=“small“ position=“right“]aus sich etwas machen wollen oder es schon geschafft haben. An Orten wie diesen entstehen Hoffnungen, Erwartungen und Möglichkeiten. Hier werden Kunden geprägt.

„Wer eine Gucci-Handtasche kauft, steigt nicht in einen Landwind“, meint ein Autofachmann angesichts des Trubels in Sanlitun. Die Chinesen suchen die großen Marken. Und genau mit dieser Einstellung, die ihr Geschäft heute auch in einem sinkenden Markt befeuert, bekommen die Anbieter von Fahrzeugen großer Marken zunehmend Probleme. Ein Benz soll aus Stuttgart, ein BMW aus München und ein Audi aus Ingolstadt kommen und nicht etwa bei einem der Joint-Venture-Fabriken der Marken in China gebaut worden sein.

Der chinesische Staat besteht natürlich darauf, dass alle Hersteller so viel wie möglich im Land herstellen. Dabei ist „local content“ nicht nur politisch unumgänglich, sondern in den Kalkulationen fest eingeplant. Der Konflikt ist klar: Die Chinesen wollen deutsche Autos aus Deutschland. Die Deutschen wollen ihre Autos in China bauen. Indem sie nun den chinesischen Kunden diese chinesischen Deutschen näherbringen, könnten sie auch das Herz der Chinesen für die eigenen Marken öffnen. Denn wenn Chinesen Premium-Autos bauen können, dann ist doch bewiesen, dass sie Autos bauen können – oder?

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