Test: BMW R 1200 R Classic – Die Vollendung der Gummi-Kuh

Angriff ist die beste Verteidigung. Nach diesem bewährten Motto kontert BMW jahrzehntelanges Gelästere über seine als „Gummi-Kuh“ belächelten Bikes mit Boxermotor und Kardan-Antrieb: R 1200 R heißt die bisherige Vollendung des eigenwilligen Konzepts.

Der heutige Roadster steht in der Tradition vieler puristischer Boxer-Bikes, hat aber längst alte Schwächen abgelegt und setzt als Sondermodell „Classic“ dem technischen Fortschritt optisch noch eins drauf. So hat der Retro-Roadster R 1200 R Classic ohne Zweifel das Zeug zum künftigen Klassiker, [foto id=“422515″ size=“small“ position=“left“]überzeugt außerdem mit überraschenden Qualitäten und bringt dadurch selbst eingefleischte Boxer-Verachter ins Grübeln.

Ihrem Namen gerecht wird die Classic durch Spiegel, Speichenräder und Auspufftopf in glänzendem Chrom sowie eine Schwarz-Weiß-Lackierung mit Handlinierungen. Das weckt Erinnerungen an wahre Klassiker der bayerischen Marke wie die R 75/5 von Ende der Sechziger Jahre – allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, dass die puristische Boxer-BMW von heute weder mit spürbaren Lastwechselreaktionen noch mit lautem Schalt-Klacken noch mit müder Leistungsentfaltung nervt. Im Gegenteil: Der hochmoderne 81 kW/110 PS starke Zweizylindermotor ist äußerst druckvoll und dabei sparsam. Hightech wie vier radial angeordnete Ventile, eine zentrale Ausgleichswelle oder seit 2011 zwei Nockenwellen pro Zylinder machen sich bezahlt.

Wie ein rollendes Denkmal wirkt die R 1200 R Classic vor allem mit der schwarz-weißen Traditionslackierung. Sie sticht als zeitloser Kontrast hervor aus einer Innovationsflut, mit der die Marke BMW seit Jahren immer wieder Kunden und Konkurrenten mit unerwarteten Konzepten überrascht: Der Sechszylinder-Supertourer K 1600 mit 161 PS setzt neue Maßstäbe bei den Langstrecken-Bikes, der 193 PS starke Supersportler S 1000 RR weist ehemals schier unerreichbare Serien-Renner wie Honda Fireblade oder Suzuki GSX-R 1000 in [foto id=“422516″ size=“small“ position=“right“]die Schranken, und die zukunftsgerichtete urbane Mobilität will BMW neuerdings mit zwei Großrollern mit 650er-Motoren erobern.

Erstaunlich agil und präzise

Doch wie fährt sich die R 1200 R, die moderne Interpretation eines vermeintlich längst überholten Motorrad-Konzepts? Erstaunlich agil und dennoch auch bei Highspeed präzise. Dahinter steckt die ständige Weiterentwicklung von Motor und Fahrwerk. Die BMW-eigenen Telelever vorne und Paralever hinten sorgen für hohe Stabilität. Wenig Rückmeldung ist der Preis für hohe Grenzbereiche, den man nach kurzer Eingewöhnungsphase gerne in Kauf nimmt. Mit diesem Hightech-Fahrwerk, das mit aufpreispflichtigem „ESA“ in Fahrt verstellbar ist, und dem ausgereiften Boxer-Motor fühlt sich die klassische R 1200 R insgesamt kräftig und dabei ausgesprochen handlich an.

Speziell der Motor ist seit dem 2011er Jahrgang mit zwei Nockenwellen pro Zylinder die technische Vollendung seiner Art. Dass er sich dabei mit 5,1 l Testverbrauch zufrieden gibt, führt trotz durchschnittlichem 18 Liter-Tank zu stolzen Reichweiten von rund 350 km – und zwar nahezu unabhängig davon, ob es sich um verbrauchsgünstige ebene Landstraßen oder Serpentinen-Routen dreht. Im kurvigen [foto id=“422517″ size=“small“ position=“left“]und bergigen Geläuf bewähren sich die hervorragenden Bremsen, die zupacken wie ein durchtrainierter bayerischer Fingerhakler. Spärlich fällt dagegen die serienmäßige Ausstattung der 11.850 Euro teuren Basis-R aus. Zu 810 Euro Aufpreis für das Classic-Paket kommen durch empfehlenswertes Zubehör: 1.080 Euro für ABS, 680 Euro für das in Fahrt verstellbare Fahrwerk ESA, 145 Euro für den Bordcomputer. Also selbst ohne Heizgriffe, praktische Reisekoffer und ähnlichen Luxus summiert sich eine gut ausgestattete R 1200 R Classic auf satte 14.565 Euro. Da sich der Retro-Roadster erst auf dem Weg zum wahren, nicht nur namentlichen Klassiker befindet, muss sich zu den sachlichen Qualitäten der Maschine wohl doch eine gehörige Portion persönlicher Faible fürs Boxer-Konzept gesellen. Dann aber dürfte die Entscheidung eher zugunsten des Sondermodells fallen: Wenn schon klassisch, dann gleich Classic.

Datenblatt: BMW R 1200 R Classic

Motor: Luft-/ölgekühlter Zweizylinder-Viertakt-Boxermotor, vier Ventile pro Zylinder, Hubraum 1.170 ccm, Leistung 81 kW/110 PS bei 7.500/min, max. Drehmoment 119 Nm bei 6.000/min, Sechsganggetriebe
Fahrwerk: Vorder- und Heckrahmen zweigeteilt, mittragende Motor-Getriebe-Einheit, vorn BMW Telelever mit Zentralfederbein (41 mm Standrohrdurchmesser), hinten BMW Paralever mit Aluminiumguss-Einarmschwinge und Zentralfederbein, Federvorspannung (stufenlos) und Zugstufendämpfung einstellbar, Scheibenbremse vorn 320 mm (doppelt), hinten 265 mm
Maße und Gewichte: Radstand 1.495 Meter, Lenkkopfwinkel 62,9 Grad, Sitzhöhe 0,800 Meter (0,750 bis 0,830 möglich mit Zubehör-Sitzbank), Leergewicht 223 kg, Tankinhalt 18 Liter
Messwerte:  Vmax 200 km/h, Test-Verbrauch: 5,1 Liter/100 km, Reichweite ca. 350 km
Preis: 12.660 Euro

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