VDA kritisiert Freihandelsabkommen mit Südkorea

Abschlüsse von Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Drittstaaten seien aus Sicht des Verbands der Automobilindustrie im Grundsatz zu begrüßen, sofern der Austausch von Waren und Dienstleistungen fair und ausgewogen geregelt sei, heißt es beim VDA.

Das heute von EU-Handelskommissarin Catherine Ashton paraphierte Freihandelsabkommen der EU mit Südkorea sei in seiner vorliegenden Form allerdings unausgewogen. Es gehe zulasten der deutschen und europäischen Hersteller, gefährde Investitionen und Arbeitsplätze in der deutschen Industrie und verschaffe der südkoreanischen Automobilindustrie wettbewerbsverzerrende Vorteile, urteilt VDA-Präsident Matthias Wissmann. Er verwies darauf, dass das Abkommen auch bei einigen Mitgliedsstaaten und sogar in der Kommission selbst sehr umstritten sei: Ein „Durchwinken“ des unveränderten Entwurfs sei der falsche Weg.

„Bevor das Abkommen von den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament bestätigt werden kann, muss es dringend nachgebessert werden. Eine einseitige Begünstigung Südkoreas macht aus europäischer Sicht keinen Sinn“, so Wissmann.

Das von der EU-Handelskommissarin mit dem asiatischen Staat ausgehandelte Abkommen ermögliche den europäischen und deutschen Automobilherstellern keinen ausreichend sicheren Zugang zum südkoreanischen Markt. „Es gibt weiterhin zahlreiche nichttarifäre Handelshemmnisse. So werden beispielsweise die hohen europäischen Standards für die Abgaskontrolle (On-Board-Diagnose) und für Emissionsgrenzwerte nicht vollständig von der südkoreanischen Seite anerkannt“, erläuterte Wissmann. Dies sei besonders kritisch angesichts des relativ kleinen Marktes in Südkorea. Der Absatz der europäischen Hersteller beschränkt sich dort auf lediglich etwa 30.000 Fahrzeuge jährlich. Im Gegensatz dazu setzen südkoreanische Automobilhersteller in der EU rund 600.000 Automobile ab.

„Wenn wir unsere Fahrzeuge an die spezifisch für den südkoreanischen Markt gültigen Standards anpassen müssen, wäre dies mit unvertretbar hohen Kosten verbunden“, sagte Wissmann. Die europäische Messmethode für Emissionen (On-Board-Diagnose) sei in dem Abkommen „verbindlich anzuerkennen“, forderte er.

Der Abbau der EU-Zölle stelle für Südkorea einen erheblichen Preisvorteil im zweistelligen Prozentbereich dar: Für jedes aus Südkorea gelieferte Fahrzeug belaufe sich bei einem angenommenen Fahrzeugwert von 15.000 Euro allein der Zollvorteil auf 1.500 Euro pro Fahrzeug. Das Ashton-Papier sieht den Zollabbau bereits nach drei Jahren vor, während die EU ursprünglich eine Übergangsfrist von sieben Jahren gefordert hatte. Wissmann: „Auch die Kommission sollte berücksichtigen, dass der EU-Markt um das 15-fache größer und attraktiver für die Südkoreaner ist als der Fahrzeugmarkt ihres Landes für die Hersteller aus der EU. Wir öffnen einen riesigen Markt für ein kleines Land – und bekommen im Gegenzug keinen wirklichen Marktzugang in Südkorea.“

Ein weiterer Punkt im Vertragstext ist die Zollrückvergütungen, die für Zulieferteile aus Drittländern zugunsten der koreanischen Exportindustrie vorgesehen ist. „Eine solche Gewährung wird eine Strategie der koreanischen Automobil- und Zulieferindustrie begünstigen, vermehrt Vorprodukte aus dem asiatischen Raum oder aus China zu verwenden. Die Vorteile aus dem Abkommen würden damit auf Lieferungen aus Drittländern ausgeweitet“, erklärte Wissmann. So etwas gebe es bisher in keinem anderen Handelsabkommen mit anderen entwickelten Industrieländern. Das Abkommen subventioniere damit südkoreanische Exporte nach Europa. „Hier darf kein Präzedenzfall für kommende Freihandelsabkommen geschaffen werden“, unterstrich der VDA-Präsident.

Auch die aktuell diskutierte CO2-Regulierung in Korea berge neues Potenzial für Handelshemmnisse. So plane Südkorea eine CO2-Reduzierung, die in Struktur und Umfang vor allem von den deutschen und europäischen Herstellern von Premiumprodukten kaum zu leisten sei, betonte Wissmann. „Wenn wir für unsere Exporte nach Südkorea jedes einzelne Fahrzeug mit massivem Aufwand technisch anpassen müssen, dann ist das bei den geringen Stückzahlen mit prohibitiv hohen Kosten verbunden“, kritisierte der VDA-Präsident. „Wie bei der europäischen Regulierung, brauchen wir auch in Südkorea realistische CO2-Minderungsziele, die für alle Pkw-Segmente fair sind und nicht einseitig zulasten der deutschen und europäischen Anbieter gehen“, forderte er. Eine Lösung könne darin bestehen, die EU-Reduktionsanforderungen auch auf Südkorea zu übertragen.

Der VDA-Präsident appellierte an die EU-Mitgliedstaaten und an das Europäische Parlament, die das Abkommen noch bestätigen müssen, die kritischen Punkte dringend zu klären: Die EU-Kommission habe es bislang versäumt, Freihandelsabkommen mit den ASEAN-Mitgliedstaaten oder Indien auf den Weg zu bringen, betonte Wissmann. „Diese Märkte bergen für die kommenden Jahre erhebliches Wachstumspotenzial.“ Während in den westlichen Industriestaaten im Durchschnitt mehr als 500 Fahrzeuge auf 1.000 Einwohner kommen, sind es in Indonesien 49 und in Indien nur elf. Damit die europäische Automobilindustrie und mit ihr auch die deutschen Hersteller und Zulieferer an diesen Zukunftsmärkten angemessen teilhaben können, fordert Wissmann, Handelsschranken abzubauen.

Bei der Einfuhr in die ASEAN-Staaten hätten Anbieter aus der EU nach wie vor Einfuhrzölle von bis zu 100 Prozent zu verkraften und müssten zudem nichttarifäre Handelshemmnisse hinnehmen. Dagegen erlaube beispielsweise ein Abkommen der japanischen Automobilwirtschaft, ihre Fahrzeuge zu deutlich niedrigeren Zollsätzen in die ASEAN-Region einzuführen als die europäischen Wettbewerber. „Solche Wettbewerbsnachteile müssen ausgeglichen werden. Der VDA-Präsident sieht hier die Europäische Kommission in der Pflicht.

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