Auto Expo in Indien – Es muss nicht immer Tata sein

Der Asphalt ist schartig, die Straßen sind staubig, die Hallen marode und so ganz dicht sind die Dächer nicht. Doch vom ersten Eindruck des Pragati-Maidan-Exhibition-Centers in Neu-Delhi sollte man sich nicht täuschen lassen: Vor dieser eher problematischen Kulisse läuft derzeit eine der wichtigsten Automessen der Welt.

Denn nirgendwo außer vielleicht in China und Brasilien bietet die Mobilisierung der Massen noch so viel Potenzial wie auf dem Subkontinent. Nicht wie bei uns über 600, sondern gerade mal 19 Autos kommen auf je 1.000 der über eine Milliarde Einwohner. Und mit dem zunehmenden Wohlstand wollen immer mehr Inder das möglichst schnell ändern: Kein Wunder also, dass sich in nur sieben Tagen bis zu zwei Millionen [foto id=“398005″ size=“small“ position=“left“]Menschen über das Areal schieben werden, um die Stände von über 1.500 Ausstellern zu besuchen und 50 Premieren zu feiern.

„Die Zulassungszahlen sind in den letzten Jahren förmlich explodiert“, sagt Automobilexperte Franz-Rudolf Esch von der European Business School in Oestrich-Winkel: 2011 wurden dort über 2,5 Millionen Pkw verkauft, bald sollen es drei Millionen sein, und noch vor dem Ende dieser Dekade könnte Indien hinter China in Asien den zweiten Platz belegen. Auf der Autoweltrangliste sehen Branchenbeobachter den Subkontinent mittelfristig an fünfter Stelle – und damit auch vor Deutschland.

Die Prognosen für Indien sind zwar ähnlich gut wie für China und zumindest prozentual dürfte das Wachstum auf dem Subkontinent in den nächsten Jahren sogar größer sein. Doch gibt es einen ganz wesentlichen Unterschied zum Nachbarn in Nordosten: Wo die aufstrebende Mittelschicht im Luxus schwelgt und die Region so zum Dorado für Mercedes & Co macht, definiert man Luxus hier ein wenig anders: In einem Land, in dem sich angeblich die Hälfte der Einwohner keine Schuhe leisten können und man mit einem Jahressalär von 5.000 Dollar schon zu den Besserverdienern zählt, gehört ein Auto wie der [foto id=“398006″ size=“small“ position=“right“]vom Polo abgeleitete VW Vento schon zur Oberklasse.

Kein Wunder also, dass auf dem Pragati-Maidan-Gelände vor allem die kleinen Karossen ihren großen Auftritt haben. Allerdings spricht diesmal kaum mehr jemand über den Tata Nano, der als billigstes Auto der Welt vor zwei Jahren alle Experten in den Bann geschlagen und alle Blicke auf Indien gezogen hat. Denn erstens gilt die Knauserkarre mit bislang nicht einmal 150.000 Verläufen mittlerweile als veritabler Flop, und zweitens hat sie jetzt auf der Messe ihren Spitzenplatz als Preisbrecher eingebüßt: Der bislang auf Zwei- und Dreiräder spezialisierte Hersteller Bajaj hat dort ein Auto enthüllt, das noch kleiner und noch billiger ist als der Nano. Nur 2,75 Meter lang, gerade mal 1,31 Meter breit und trotzdem für vier Personen zugelassen, soll der RE60 umgerechnet deutlich weniger als 2.000 Euro kosten, heißt es auf dem Messestand. Allerdings will Bajaj mit dem nur 20 PS starken und 75 km/h schnellen Winzling gar nicht mit echten Autos konkurrieren. „Wir sehen den RE60 als Alternative zu den abertausenden Autorikschas die in unseren Innenstädten als Taxis unterwegs sind“, erklärt Marketingchef Aschok Jaiswar.

Andere Autofahrer werden sich mit diesem Modell auch kaum locken lassen. Denn auch die Inder haben die Lust am Lifestyle entdeckt und wollen ein wenig Farbe in den Verkehr bringen. Dabei muss es ja nicht gleich der Mini sein, der jetzt als 100. Markt auf der Weltkarte auch Indien erobert und mehr als zehnmal so viel kostet wie ein Tata Nano. Aber mit Autos wie dem Honda Brio, dem von Nissan Micra abgeleiteten Renault Pulse, [foto id=“398007″ size=“small“ position=“left“]dem Chevrolet Beat und demnächst auch einem Ableger des VW Up bedrängen immer mehr peppige und poppige Stadtflitzer die eher drögen Zulassungssieger Suzuki Alto, Suzuki Wagon R, Ford Figo und Hyundai i10.

Auf der Auto Expo geht das bunte Treiben allerdings in die nächste Runde: Zu den etwas frecheren Kleinwagen gesellen sich dort die ersten modernen Nischenmodelle für den Zeitgeist und zeigen, dass Geländewagen oder Vans nicht nur praktisch, sondern auch pfiffig sein können. Anders als bei uns sind sie allerdings allesamt drei Nummern kleiner und wahrscheinlich nicht einmal halb so teuer.

Das beste Beispiel dafür liefert der Ford EcoSport:

Abgeleitet vom neuen Fiesta gibt er selbst ohne Allradantrieb mit hoher Bodenfreiheit, robuster Beplankung und einem außen angeschlagenen Ersatzrad den modernen Abenteurer für alle schlechten Strecken. Zunächst nur für Indien, andere Asien-Märkte und Südamerika entwickelt, könnte er beizeiten sogar in Deutschland angeboten werden.

Ins gleiche Horn stößt Suzuki mit dem XA Alpha, der mit exakt vier Metern Länge ein ähnliches Format hat wie der kleine Kraxler von Ford und noch sportlicher gezeichnet ist. Je nach Perspektive erinnert er ein wenig an Kia Soul oder Range Rover Evoque und wäre die ideale Designvorlage für die überfälligen Nachfolger von SX16 und Jimny. Ebenfalls meilenweit entfernt vom schlichten Zweckbau der indischen [foto id=“398008″ size=“small“ position=“right“]Massenware ist der Hyundai HexaSpace, der beweisen will, dass auch kleine Großraumlimousinen ein auffälliges Design haben können.

Dominiert wird der Markt in Indien von den lokalen Herstellern, ihren asiatischen Partner sowie den Importeuren aus Japan und Korea. Die deutschen Autohersteller dagegen tun sich schwer in einem Land, in dem die Oberklasse auf nicht einmal 20.000 Zulassungen kommt. Zwar haben der VW-Konzern, BMW und Mercedes schon seit einigen Jahren eigene Fabriken auf dem Subkontinent, um damit die hohen Importzölle zu umgehen. Der BMW Siebener hat es sogar zur Dienstlimousine des Staatschefs gebracht. Und natürlich hört man aus Stuttgart, Ingolstadt, Wolfsburg und München nur positive Prognosen. Doch außerhalb von Delhi oder Mumbai sieht man die Dickschiffe aus Deutschland nur selten.

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