Bei Zulieferern beginnt das große Zittern

Die europäischen Zulieferer für die Automobilindustrie sind in das Visier der EU-Kommission geraten. Jetzt drohen ihr Bußgelder wegen Wettbewerbsverstößen in dreistelliger Millionenhöhe. Wann auch immer in den Chefetagen großer Unternehmen der Name Joaquín Almunia fällt, pflegen selbst gestandenen Top-Managern die Gesichtszüge zu entgleisen. Dabei ist der 65jährige EU-Wettbewerbskommissar die Freundlichkeit in Person, nur wenn es um Verstöße gegen faire Marktregeln geht, ist der gebürtige Baske – ebenso wie seine Vorgänger – alles andere als zimperlich. Bei wettbewerbswidrigen Vereinbarungen zwischen Unternehmen, dem Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung oder Zusammenschlüssen und Übernahmen, die zu monopolartigen Riesengebilden führen könnten, schreitet Almunia ebenso erbarmungslos ein wie in Fällen staatlicher Beihilfen, die ausländische Konkurrenz ausbremsen könnten.

Das Hamburger „Manager Magazin“ nannte ihn kürzlich einen „harten Hund“. Ein harter Hund, der je nach Schwere des Vergehens Strafgelder von bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes eines Unternehmens verhängen kann. Um seine Aufgaben erfüllen zu können, besitzt der Wettbewerbs-Kommisar umfassende Kontrollbefugnisse, kann Unternehmen überprüfen, Anhörungen abhalten oder Ausnahmen gewähren. Im Gegenzug haben die Regierungen die Pflicht, ihn im Voraus über geplante staatliche Beihilfen zu informieren.

Bei krummen Geschäften greift der strenge Wettbewerbskommissar auf den Brüsseler Bußgeldkatalog zurück, und der sieht in solchen Fällen wahrhaft drastische Denkzettel vor. So verhängte die EU-Kommission im vergangenen Jahr mehr Strafen, als ähnliche Wettbewerbshüter in den USA, China und Japan zusammen. Den bisherigen Rekord mit 1,7 Milliarden Euro hält ein internationales Konsortium von sechs Banken, dem betrügerische Manipulationen des Referenzzinssatzes Libor nachgewiesen wurden. Als Spitzenreiter in dieser Gruppe mit einem Anteil von 725 Millionen Euro traf es die Deutsche Bank.[foto id=“496269″ size=“small“ position=“right“]

Auf dem zweiten Platz der ewigen Bestenliste liegt zur Zeit ein Autoglas-Kartell – bestehend aus Compagnie de Saint-Gobain , Guardian (USA), Pilkington (Großbritannien) und Asahi (Japan) –, das 2008 mit knapp 1,4 Milliarden Euro wegen illegaler Preisabsprachen dabei war.

Weitere Unternehmen aus der Autoindustrie sind bislang im oberen Bereich der Bußgeld-Hitparade nicht vertreten. Doch das könnte sich in den kommenden Monaten erheblich ändern, denn die EU-Kommission hat ihr Auge bereits seit mehr als zwei Jahren auf die Zulieferer der Autokonzerne geworfen. In einem Interview mit dem Hamburger Magazin „Stern“ kündigte Almunia finstere Zeiten für die Branche an. „Wir vermuten Kartelle bei fast allen Teilen, die man für ein Auto braucht. Das ist unglaublich.“

Als erstes Opfer traf die Brüsseler Keule schon im Sommer des vergangenen Jahres die Lieferanten von Kabelbäumen. Mit 140 Millionen Euro waren sie dabei, allein der japanische Konzern Yazaki musste 125,3 Millionen Euro berappen. Doch das ist erst der Anfang. Die Liste der Unternehmen, die Durchsuchungen und Verhöre über sich ergehen lassen, ist lang. Laut „Stern“ gehören beispielsweise die Hersteller von Sicherheitsgurten, Airbags, Lenkrädern oder Klimaanlagen dazu. Auch die Produzenten von Autoblechen, Hutablagen oder Kofferraumisolierungen stehen auf der Liste.

[foto id=“496270″ size=“small“ position=“left“]Schon jetzt bereiten sich einige Unternehmen der Branche in vorauseilendem Gehorsam auf das vor, was auf sie zukommen könnte. Der deutsche Wälzlagerspezialist Schaeffler hat beispielsweise in seiner Bilanz 380 Millionen Euro wegen zu erwartender Bußgelder zurückgestellt. Auch Bosch vermutet, von Brüssel gebeutelt zu werden. Nur Reifenproduzent Continental hält Rücklagen für überflüssig. „Die Einhaltung von Richtlinien und Vorschriften hat bei uns hohen Stellenwert“, heißt es in Hannover.

Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia wird sich beeilen müssen, falls er nicht einen Teil der anstehenden Fälle seiner Nachfolgerin oder seinem Nachfolger überlassen will: Mitte dieses Jahres wird er die Kommission verlassen und in Pension gehen.

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