CO2-Bilanzen: Das goldene Kalb ist schlachtreif

Der Ausstoß an Kohlendioxyd (CO2) eines Fahrzeugs pro Kilometer ist das goldene Kalb, um das Umweltpolitiker und die Autoindustrie mit ungebremst Ausdauer tanzen. Doch die offiziellen Angaben der Hersteller sind in Wahrheit ebenso Makulatur, wie das Märchen von den emissionsfreien Elektroautos. Das goldene Kalb ist ein Kandidat für die Schlachtbank. Die Ermittlung der Daten ist schon wegen des praxisfernen Messzyklus fragwürdig. Darüber hinaus ignorieren die offiziellen Herstellerangaben konsequent die CO2-Bilanz bei der Herstellung des Kraftstoffs und bei der Gewinnung von elektrischer Energie.

Die Autobranche blickt auf 2015. Ab diesem Zeitpunkt liegen die vorgeschriebenen Grenzwerte bei 130 Gramm CO2 pro Kilometer als durchschnittlicher Flottenausstoß. Bei mehr ausgestoßenem CO2 werden Strafzahlungen fällig. Für viele Hersteller kein Problem, denn sie führen bereits jetzt mustergültige Fahrzeuge im Programm. Zum Beispiel Toyota. Die Japaner können endlich die Früchte ihrer Hybridoffensive ernten. Mit dem Auris Hybrid hat Toyota 2010 den ersten Voll-Hybriden in der Golf-Klasse auf den Markt gebracht. Der mindestens 22 950 Euro teure Fünftürer bietet eine Systemleistung von 100 kW/136 PS für maximal 180 km/h Höchstgeschwindigkeit bei einem Normverbrauch von 3,8 Liter Benzin auf 100 Kilometer. Das entspricht einem CO2-Ausstoß von 89 Gramm CO2 pro Kilometer.

Dass sogar ein CO2-Ausstoss von Null Gramm pro Kilometer möglich sein soll, versuchen die Anbieter von Autos mit reinem Elektroantrieb zu vermitteln. Führend auf dem Gebiet ist derzeit Renault. Die Franzosen bieten aktuelle gleich vier Baureihen mit E-Antrieb an. Darunter die 4,75 Meter lange Limousine „Fluenze Z.E.“. „Z.E.“ steht dabei für „Zero Emissions“, also „Null Emissionen“. Der 70 kW/95 PS starke Elektromotor benötigt 14 Kilowattstunden (kW/h) Strom für 100 Kilometer Wegstrecke. Der kommt im günstigen Fall aus regenerativen Quellen.

Die große CO2-Lüge nimmt ihren Anfang in der irrigen Annahme, dass Benzin und Diesel nach dem „Prinzip Heinzelmännchen“ in den Tank gelangen. Vollkommen unberücksichtigt bleibt der Energieaufwand und damit der CO2-Ausstoß für die Förderung des Rohöls, den Transport in die Raffinerien, die Herstellung der Kraftstoffe und den Weitertransport zur Zapfsäule. Eine Studie der EU von 2007 belegt, dass sich die CO2-Bilanz für jeden Liter Kraftstoff somit um 19 Prozent erhöht. Damit bläst der Musterknabe Toyota Auris Hybrid eben nicht 89 Gramm, sondern 106 Gramm CO2 pro Kilometer in die Luft.

Wie irreführend der gelistete Normverbrauch gegenüber der Praxis sein kann, illustriert ein aktuelles Beispiel aus Heft 24/2012 der Fachzeitschrift „auto, motor und Sport“. In einem Vergleichstest trat die jüngste Ausgabe von Deutschlands Lieblingsauto VW Golf an. Er wird als 2.0 TDI mit 110 kW/150 PS in der Ausstattungsvariante „Highline“ zum Grundpreis von 28 150 Euro angeboten. Die offizielle Angabe des Herstellers zum Verbrauch und CO2-Ausstoß beträgt 4,1 Liter Diesel und 109 Gramm CO2 pro Kilometer. Mit dem reellen 19-Prozent-Zuschlag für die Kraftstoffgewinnung wären es bereits 130 Gramm CO2 pro Kilometer. Als praxisgerechten Testverbrauch ermittelten die Fachleute durchaus ehrenwerte 6,1 Liter Diesel für den Golf. Dabei gelangen aber schon 162 Gramm CO2 pro Kilometer in die Umwelt. Plus 19 Prozent Erzeuger-Zuschlag für den Diesel sind das dann echte 193 Gramm CO2 pro Kilometer.

„Zero Emission“ ist dagegen nicht einmal schön gerechnet, sondern schlicht und einfach gelogen. Kein Strom lässt sich ohne CO2-Bildung erzeugen. Auf der Internetseite www.emissionen-vergleich.de listet der Diplom-Physiker Harald Hermighaus aus Münster akribisch die CO2-Bilanzen aller Kraftwerkstypen auf. Schon bei Wind- und Wasserkraftwerken entstehen zwischen 23 und 27 Gramm CO2 pro kW/h. Was wirklich sehr günstig ist. Nur unwesentlich schlechter sieht die CO2-Bilanz bei Atomkraftwerken aus: 32 Gramm CO2 pro kW/h. Stromgewinnung aus Erdgas kommt auf 148 Gramm CO2/kW/h, vorausgesetzt das Kraftwerk verfügt über Kraft-Wärme-Kopplung für die Erzeugung von Fernwärme. Ohne Kraft-Wärmekopplung sind es schon 428 Gramm CO2 je kW/h. Bei Strom aus Steinkohle liegt der CO2-Ausstoß bei 622 Gramm pro kW/h mit Kraft-Wärme-Kopplung und 949 Gramm pro kW/h ohne eine solche. CO2-Buhmann sind Braunkohle-Kraftwerke mit 729 Gramm pro kW/h, beziehungsweise 1 153 Gramm CO2 pro kW/h.

Im bundesdeutschen Stromnetz kreist ein Mix aus allen Arten der Stromerzeugung. Da Elektro-Autos nicht ausschließlich den CO2-vorbildlichen Wind- oder Wasserstrom nutzen können, muss für jede seriöse Bewertung des CO2-Ausstoß der Durchschnittswert zur Anwendung kommen. Laut Umweltbundesamt, das für 2011 den gesamten CO2-Ausstoß für die deutsche Stromgewinnung mit 304 Millionen Tonnen beziffert hat, trägt somit jede verbrauchte Kilowattstunde eine CO2-Last von 559 Gramm. Angesichts der 14 KW/h, die der Renault Fluenze Z.E. für 100 Kilometer Wegstrecke benötigt, gelangen somit 7 826 Gramm des Klimagases in die Umwelt. Das wären 78,26 Gramm CO2 pro Kilometer.

Bewegung ohne CO2-Bildung ist übrigens unmöglich. Selbst ,wenn der Mensch sich per Pedes oder mit dem Rad von Ort zu Ort begibt, erzeugt er durch seine Atmung CO2. Immerhin so um die 20 Gramm pro Kilometer.

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