Mercedes-Benz

Eine Zeitreise mit Dieter Zetsche

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Der Rekord allein steht nicht im Zentrum des Interesses, wenn die drei deutschen Premium-Hersteller die Latte für die Absatzzahlen immer höher legen. Wenn auch im vergangenen Jahr BMW mit 1,96 Millionen abgesetzten Autos wieder mit Abstand den Rang 1 behauptete, treten Audi und Mercedes-Benz nach der Zielfoto-Entscheidung von 2013 (1,58 Millionen zu 1,57 Millionen Fahrzeugen) mit dem erklärten Ziel an, mittelfristig die Münchener vom ersten Rang zu verdrängen. Dieter Zetsche, Vorsitzender des Vorstands der Daimler AG und Leiter Mercedes-Benz Cars, sieht diesen Wettkampf der Giganten nicht als Selbstzweck, sondern als Motivation und Bestätigung.

Jetzt, da mit dem SUV Mercedes-Benz GLA die Reihe der Kompakten aus Stuttgart steht, erlaubt sich Dieter Zetsche aus der Position der neuen Stärke heraus einen kleinen Rückblick auf eine Reihe von Jahren, in denen Mercedes-Benz „relativ wenig Wachstum gezeigt“ hat. „Bei uns hatte sich die Haltung breitgemacht, es sei eben so, dass Mercedes-Benz die besten Autos baut und deswegen nicht unbedingt am meisten verkaufen muss.“

Mit der Nummer-1-Vision kam wieder Schwung in die Mannschaft. „Ich bin davon überzeugt, dass dieses Ziel mit zu der Dynamik beigetragen hat, die wir bei unserem Unternehmen heute sehen“, sagt Dieter Zetsche. Intern habe immer Einigkeit geherrscht, dass wir „das attraktivste Paket für den Kunden entwickeln wollen“. Das müsse der Maßstab sein. „Letztlich ist das Volumen nicht das Primärziel.“ Aber es werde zwangsläufig das Resultierende sein, wenn man beim Produkt alles richtig mache.

Offenbar machen die beiden anderen zurzeit auch Vieles richtig; denn bei den Zuwachsraten im vergangenen Jahr liegen alle drei soweit nicht auseinander: BMW 6,4 Prozent, Mercedes-Benz 9,7 Prozent und Audi 8,3 Prozent. Außerdem brachte der Januar den deutschen Premium-Marken einen Blitzstart. Auch darf sich Mercedes-Benz vom jungen Jahr 2014 eine gute Absatzentwicklung erhoffen; denn die Produktoffensive ist in vollem Gange, nach der neuen E- und S-Klasse kommt jetzt die C-Klasse auf den Markt. Und die so lange vermissten Kompakten aus Stuttgart sind nun auch gut aufgestellt mit der A-Klasse, der B-Klasse, dem viertürigen Coupé CLA und nun auch dem SUV Mercedes-Benz GLA.

Kritiker der Modellpolitik hatten es als Versäumnis dargestellt, dass die Kompakten so lange auf sich warten ließen. Besonders das Angebot für den schnell wachsenden Markt der kompakten SUV wurde vermisst. Das steht nun da und wird den Verkaufserfolg der kompakten Baureihen stützen. Mit mehr als 370 000 Exemplaren lagen die Verkäufe der A- und B-Klasse sowie des CLA allen Unkenrufen zum Trotz deutlich oberhalb der Planzahlen.

Besonders dem CLA gelingt es, neue Käufer an die Marke heranzuführen. In den USA besitzen vier von fünf CLA-Käufern zum ersten Mal einen Mercedes-Benz. Und die Käufer sind im Schnitt um zehn Jahre jünger als der bisherige Kundenstamm. „Exakt das war der Plan. Und der ist aufgegangen“, sagte Zetsche jetzt bei der Vorstellung der GLA. Auch dieser kleine Benz steht für die jüngere Linie der aktuellen Produkte. Das SUV kommt deutlich offensiver, progressiver und extrovertierter daher als man es von den eher zurückhaltenden Modellen der Vergangenheit gewohnt war. Jetzt darf man gespannt sein, wie die größeren SUV GLK, M- und GL-Klasse in Zukunft antreten werden. Wenn man den GLA als Vorboten des neuen Designs versteht, dann werden sie flacher, gestreckter und dynamischer aussehen.

Im Gespräch greift Dieter Zetsche über die kommenden Modelle hinaus bis hin zum autonomen Fahren, dem Thema, das er bei der Internationalen Automobilausstellung im September 2013 so brillant in Szene hat setzen lassen: „Wir haben uns zum Ziel gesetzt, das unfallfreie Fahren, das vor einigen Jahren noch eine Vision war, in die Realität umzusetzen.“ Schon heute sei man in einem Mercedes-Benz nachweisbar sicherer unterwegs als in den Fahrzeugen der Wettbewerber. „Um diesen Weg weiterzugehen, haben wir Systeme entwickelt, die immer besser in der Lage sind, kritische Situationen zu erkennen und das Risiko abzufangen.“

Wenn die Technik in einer kritischen Situation in der Lage sei, „ins Steuer zu greifen oder auf die Bremse zu treten“, dann könne sie im Prinzip die Kontrolle auch ganz in die Hand nehmen. „So gesehen ist das autonome Fahren fast ein Automatismus, der – abgeleitet von der Sicherheit – nun zusätzlich auch den Komfort adressiert“, erläutert Zetsche den weiteren Verlauf der Arbeit. Dabei habe Mercedes-Benz die klare Zielsetzung, „dass der Kunde immer die Kontrolle behalten müsse, „außer in Gefahrensituationen, wo wir Schaden von ihm abwenden“.

Schon heute – so Zetsche – kann der Kunde Aufgaben an den Stopp-and-go-Automaten Distronic Plus abgeben, die ihm sicher kein Vergnügen bereiteten. Einparken und normales Fahren auf der Autobahn bei Geschwindigkeitsbegrenzung böten weitere Möglichkeiten, dem Kunden Komfortangebote zu unterbreiten, die gleichzeitig auch seine Sicherheit verbessern. „Das wird zu dem Angebot der kompletten Übernahme führen, das der Kunde dann selektiv wahrnehmen kann.“

Beim Zeithorizont fürs autonome Fahren hält Zetsche sich mit konkreteren Angaben als „fünf bis zehn Jahre“ zurück. Er ist sich sicher, dass bei den technischen Rahmenbedingungen für die Automobilhersteller alles unterwegs ist. Er spricht unter anderem von zentimetergenauer Navigation und zeigt sich auch bei anderen technologischen Fragestellungen „sehr zufrieden mit dem, was wir im Umfeld an Aktivitäten sehen“.

Die Frage der Herstellerhaftung bekommt im Zusammenhang mit dem autonomen Fahren eine besondere Bedeutung. Das mussten alle Hersteller in der Vergangenheit besonders im Umgang mit Gerichten in den USA feststellen. „Deswegen werden wir nicht mit einem Schlag autonom fahrende Fahrzeuge anbieten, sondern uns in Schritten herantasten und dabei beobachten, wie die Rechtsprechung reagiert.“

Auch bei der Zulassung autonom fahrender Fahrzeuge für den Straßenverkehr in Europa wird nicht alles glatt laufen, weiß Zetsche: „Die heutigen Vorschriften sind in Zeiten geschrieben worden, als man nicht im Traum an unsere heutigen technischen Möglichkeiten dachte. Deswegen ist es nur folgerichtig, dass wir jetzt miteinander lernen müssen, wovor uns das Gesetz bewahren und was das Gesetz nicht verhindern sollte.“ Wichtig sei, dass die Gesetzgebung für Veränderungen offen sei und die Technologie zur Kenntnis nehme, um Vorschriften „auch im politischen Prozess und im gesellschaftlichen Umfeld weiterzuentwickeln“. Die Gesetzgebung – so Zetsche – sei ein zeitbestimmender Faktor, „aber wir können im heutigen rechtlichen Rahmen eine Menge erreichen und versuchen, diesen Rahmen weiterzuentwickeln“.

Auf Datensicherheit angesprochen, erklärt Zetsche: „Wir haben natürlich – wenn wir an das autonome Fahren denken – eine extrem hohe Sicherheitshürde zu setzen, um ein mögliches Hacken und Eingreifen in die Fahrzeug-Elektronik zu verhindern.“ Beim Datenschutz habe man einige gesehen, „die hier vorgeprescht sind“. Deren Aussagen hätten letztendlich zu Recht den Einspruch provoziert, „dass der Automobilhersteller eben nicht freizügig über die Daten seiner Kunden verfügen könne.“ Personenbezogene Daten werde man bei Mercedes-Benz nur einsetzen, „wenn der Kunde explizit einwilligt“.

Am Beispiel des Umgangs mit den Daten, die sich aus dem E-Call ergeben, wird ein Konflikt deutlich, der noch nicht ausgetragen ist. Wenn der automatische Notruf im kommenden Jahr bei allen neu zugelassenen Fahrzeugen zur Pflicht wird, werden auch die ersten Notrufe abgesetzt und damit in der Praxis die Frage aufkommen: Wem gehören die Daten, wenn der eigentliche Zweck des E-Calls, die schnelle Hilfe für Unfallopfer, erledigt ist? Dem Eigentümer des Autos, dessen Fahrer, der Leitstelle, die die Hilfe organisiert hat, dem Bergungsunternehmen, der Versicherung oder dem Automobilhersteller?

Diese Frage hätte die Politik regeln müssen. Da sie das versäumt hat, beginnt nun ein Wettkampf um die Daten; denn der Wert der Dienstleistungen nach dem Unfall beträgt allein in Deutschland rund fünf Milliarden Euro pro Jahr. Zetsche sieht gute Argumente dafür, dass Mercedes-Benz nicht nur die Rettung des Kunden, sondern auch die fachkundige Versorgung des Fahrzeugs anbieten wolle. „Dass andere das auch wollen, ist völlig klar. Wir werden unsere Position vertreten und versuchen, die Sachargumente gut anzubringen.“

Die beiden anderen deutschen Premium-Hersteller sehen das ebenso. Seit sich das Auto zum Internet-Hotspot entwickelt hat, entstehen auch neue Geschäftsfelder, die sich keiner der drei entgehen lassen will, auch wenn sie sich damit politische und gesellschaftliche Diskussionen um Datensicherheit und Datenschutz ins Auto holen. Das Internet ist Teil des technischen Fortschritts, den man benötigt, um die Vision vom unfallfreien Fahren und von einer zeitgemäßen Mobilität umzusetzen. Ohne Vernetzung des Fahrers mit seinen Daten keine zufriedenen Kunden, ohne Vernetzung des Autos mit seinem Hersteller keine lernende Elektronik, ohne Vernetzung des Autos mit der Umwelt keine sichere, schnelle und effektive Mobilität für den Einzelnen. Der Begriff Premium bekommt eine neue Bedeutung, bei der Rechnerleistung und Motorleistung nicht konkurrieren.

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