Historischer Rennsport: Die Gentleman greifen zum Schlüssel

Die Faszination für den historischen Motorsport zieht beim „Oldtimer-Grand Prix“ auf dem Nürburgring Jahr für Jahr zigtausende Besucher in ihren Bann. Über 52 000 Besucher hat der Veranstalter im vergangenen Jahr gezählt. Die Freude am Rennsport vermitteln auch in diesem Jahr über 500 Fahrer mit ihren Fahrzeugen. Einen der Höhepunkte des Rennwochenendes bildet unbestritten das Rennen der historischen Grand Prix-Fahrzeuge vor 1960. Ein teures Hobby für Enthusiasten, wie ein Blick hinter die Kulissen zeigt. Das nötige Kleingeld für Fahrzeug, Wartung und Logistik müssen die Teilnehmer schon aufwenden.

In diesem Jahr sind beim Rennen der Monoposti (Einsitzer) 31 Wagen aus den Jahren 1928 bis 1959 am Start. Große Namen der Automobilgeschichte wie Aston Martin, Bugatti, Ferrari und Maserati stehen hier auf der Starterliste. Das bekannteste und meistgebaute Fahrzeug dieser[foto id=“478109″ size=“small“ position=“right“] Ära ist der zwischen 1954 und 1958 gefertigte Maserati 250 F, mit dem etwa der Argentinier und fünffache Formel-1-Weltmeister Juan Manuel Fangio die Formel 1-WM von 1957 gewonnen hat. Alleine sieben dieser Renner sind auf dem Kurs am Nürburgring am Start, daneben aber auch echte Raritäten.

Der Brite Jolley Rod nimmt mit seinem Lister-Jaguar „Monzanapolis“ von 1958 teil. Dabei handelt es sich um ein Einzelstück, das der ehemalige Rennfahrer und Konstrukteur Brian Lister speziell für das „Rennen der zwei Welten“ von 1958 im italienischen Monza auf die Räder gestellt hatte. Dort traten 1957 und 1958 europäische Formel 1-Fahrzeuge gegen[foto id=“478110″ size=“small“ position=“left“] „Champ Cars“ der nationalen US-amerikanischen Rennserie an. Der „Monzanapolis“ nutzt – auf einem Lister Chassis mit polierter Aluminiumkarosserie – die Technik des Jaguar D-Type mit 3,8 Liter-Reihensechszylinder-Motor und etwa 324 PS.

Bis zu seiner Pensionierung war der 67-jährige Jolley Karosseriebauer und stellte vorwiegend Karosserieteile für exklusive historische Fahrzeuge her. Vor zehn Jahren hat er sich ein Jaguar-Unikat gekauft und nimmt damit seitdem an historischen Rennveranstaltungen in Europa, aber auch weltweit teil.

Mit Transport und Material kostet ihn zum Beispiel die Teilnahme am Rennwochenende am Nürburgring knapp 3 000 Euro, allein die Startgebühr beträgt über 1 000 Euro. Ein Trinkgeld, verglichen mit dem Anschaffungspreis des Unikats, den er – ganz britischer Gentleman – aber nicht verrät. Gegen einen Unfall ist das teure Gefährt übrigens nicht versichert, „thats my risk“, sagt er. Kleinere [foto id=“478111″ size=“small“ position=“right“]Probleme gibt es ständig. Wartung und Reparaturen übernimmt er mit einem Bekannten als Zwei-Mann-Rennteam selbst. „Damit haben wir gut zu tun“, betont Jolley mit einem Augenzwinkern.

 

Das Fahren ist nicht unproblematisch. „Die Technik ist recht simpel, problematisch ist der unterschiedliche Grip an Vorder- und Hinterachse wegen der unterschiedlichen Reifen“, erklärt Jolley. Vorne sind Dunlop „R1“-Rennreifen montiert, die auf dem technischen Stand von 1930 sind. Hinten kommen Dunlop „R5“ aus den 50ern zum Einsatz. „Da muss ich beim Beschleunigen und in Kurven schon sehr aufpassen.“ Das aber meistert der Hobby-Rennfahrer auch an diesem Tag mit Bravour und fährt einen guten vierten Platz heraus.

Den ersten Platz bei den Grand Prix Cars belegt an diesem Tag der Autonarr Philip Walker mit seinem Lotus 16. 2013 hat er damit bereits Rennen im englischen Silverstone und im französischen Dijon gewonnen. Zwischen 1958 und 1960 [foto id=“478112″ size=“small“ position=“left“]nutzte das Lotus Formel 1-Team den etwa 238 PS starken Rennwagen mit Vierzylinder-Motor als erstes speziell für diese Rennserie konzipiertes Fahrzeug.

Der Fuhrpark des 55-jährigen Besitzers eines Logistik-Unternehmens im englischen Membury umfasst über 50 Fahrzeuge. Neun davon sind Rennwagen. Dazu zählen unter anderem ein Lotus 11 von 1957, mit dem der Brite in diesem Jahr auf dem Ring bei den zweisitzigen Rennwagen bis 1961 antritt, und ein originaler Ford Capri RS, mit dem Klaus Ludwig in den Siebzigern erfolgreich in der Deutschen Rennsportmeisterschaft unterwegs war.

Insgesamt bestreitet Walker etwa 20 bis 30 Rennen jährlich, etwa zehn mit dem Lotus 16, den er seit 20 Jahren besitzt. Dessen Wert schätzt er auf etwa 700 000 Euro. Da fallen die „etwa 3 000 Euro für dieses Wochenende für beide Fahrzeuge“ kaum ins Gewicht. Darin sind dann laut Walker aber schon die Kosten für sein zweiköpfiges Mechaniker-Team enthalten. „Einen Mechaniker [foto id=“478113″ size=“small“ position=“right“]beschäftige ich Vollzeit und ein weiterer stößt an den Rennwochenenden dazu.“ Und das ist auch notwendig, wie sich an diesem Tag einmal mehr gezeigt hat.

Denn die Besonderheit des Lotus 16 ist gleichzeitig seine größte Schwäche: das Ende der Fünfziger Jahre revolutionäre, sequentielle Fünfgang- Schaltgetriebe. Dank einer elektronischen Kupplung ist das Kuppeln für den Fahrer obsolet und die Schaltvorgänge fallen schneller als bei einem gewöhnlichen Getriebe aus. Doch ist die von Lotus entwickelte Technik auch extrem störanfällig – heute ist sie Standard im Rennsport und in Serienfahrzeugen üblich. „Wir haben gestern den halben Tag daran geschraubt und heute wieder“, sagt Hausmechaniker Steve Slyfield, „das ist eben Rennsport“. Sein Kollege Mark Heale rollt mit den Augen. Doch die Mühe zahlt sich aus, denn ins Ziel kommt Walkers Lotus meistens. Und schnell ist er auch.

Alles in allem kommen auf der Grand Prix-Strecke des Nürburgrings an diesem Tag 29 der 31 Grand Prix-Wagen ins Ziel. Und nächstes Jahr sind wieder alle am Nürburgring dabei.

 

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