Mercedes-Benz

Mercedes 300: Für Le Mans und Adenauer

Die Vorstellung des neuen SL ist für Mercedes Grund, nicht nur die 60jährige Historie des Roadsters und seiner fünf Generationen aufzurollen, auch die Entstehungsgeschichte des 300er verdient es, nach über sechs Jahrzehnten wieder ins Licht gerückt zu werden.

Englischer Sportsgeist ist seit jeher sprichwörtlich. Wenn es um sportliche Herausforderungen oder fairen Wettbewerb geht, sind Briten traditionell bereit, Politik, Glauben, Kriege und Niederlagen hinten anzustellen. Bereits 1946, kaum ein Jahr nachdem die Alliierten unter riesigen Opfern den deutschen Nationalsozialismus niedergerungen hatten, besannen sich englische Motorsportfreunde der unsterblichen Rennschlachten, die die deutschen „Silberpfeile“ von Mercedes vor dem Krieg geliefert hatten. Sie sandten diskret erste Anfragen ins zerstörte Stuttgart, ob und wann Mercedes denn wieder in den internationalen [foto id=“410907″ size=“small“ position=“left“]Rennsport zurückkehren wolle. Das passte Wilhelm Haspel, dem damaligen Generaldirektor bei Mercedes wiederum ins Konzept. Denn dem war klar, dass nichts schneller das Image einer Marke und eines Landes aufpolieren konnte, als das Engagement im Rennsport.

Doch 1946 war an die praktische Umsetzung solcher Pläne noch nicht zu denken. Es dauerte bis 1947, bis Mercedes überhaupt das erste Nachkriegsauto, einen 170, auf die Räder stellen konnte. Doch unmittelbar danach begannen die schwäbischen Tüftler die technischen Weichen der Marke für die Zukunft zu stellen. Ab 1951 ließ Haspel die internationale Sportszene präzise beobachten und analysieren. 1950 war die Formel 1 als Nachfolgerennserie der Grand-Prix-Meisterschaft aus der Vorkriegsära gestartete. Die Formel 1 versprach zwar mit ihrem Weltmeisterstatus die angestrebte Publikumswirksamkeit, doch die für 1954 angekündigte Änderung des technischen Reglements hin zu 2,5-Liter-Saugmotoren oder aufgeladenen 0,75-Liter-Triebwerken passte den [foto id=“410908″ size=“small“ position=“right“]Schwaben nicht ins technische Konzept.

Sie hatten nämlich keine Ressourcen zu verschwenden. Die Neuentwicklungen für die frühen Fünfziger mussten sich gleichermaßen für die Serie wie für den Motorsport einsetzen lassen. Und für die Serie war ein ganz neuer moderner Dreiliter-Sechszylinder in Auftrag gegeben worden. Der Reihenmotor debütierte 1951 in der neuen Luxus-Baureihe Mercedes 300 S mit einer Leistung von 85 kW/115 PS. Der 300 S erlangte als Dienstwagen für Bundeskanzler Konrad Adenauer Berühmtheit. Die technische Basis des Motors erlaubte erstaunliche Upgrades. Für den Rennsport entstand eine Version, die locker 125 kW/170 PS aus der siebenfach gelagerten Kurbelwelle schüttelte. Um den für einen Rennwagen erforderlichen tiefen Schwerpunkt zu realisieren, erhielt der Dreiliter eine Trockensumpfschmierung und eine um 50 Grad geneigte Einbaulage. Die Gemischaufbereitung [foto id=“410909″ size=“small“ position=“left“]übernahm eine Vergaseranlage.

Da für den Rennwagen die schweren Achskonstruktionen des 300 S verwendet werden mussten, konnte er nur im Bereich von Chassis und Karosserie noch nennenswert abspecken. Rudolf Uhlenhaut, der damalige Versuchsleiter für die Pkw bei Mercedes, warf dafür die Idee eines Gitterrohrrahmens im wahrsten Sinn des Wortes ins Rennen. Das Konzept sah eine tragende Struktur aus dünnen Stahlrohren vor, die zu dreieckigen Elementen verschweißt wurden. Aus diesen Dreieckchen entstand eine extrem verwindungssteife tragende Struktur mit lediglich 50 Kilo Gewicht, über die sich eine dünne, aerodynamisch optimierte Karosseriehaut spannte. Der Zweisitzer mit Flügeltüren erhielt die Bezeichnung „300 SL“. Das „SL“ stand für „Sport“ und „Leicht“. Im Gegensatz zu den 1 780 Kilo des 300 S brachte der 300 SL nur 1 100 Kilo auf die Waage.

1952 betrat Mercedes mit dem 300 SL die Bühne des internationalen Motorsports. Ein derart innovatives Rennfahrzeug hatte die Welt bis dahin nicht gesehen. Die Schwaben kamen, sahen und siegten nach Belieben. Am glanzvollsten fiel der Gesamtsieg bei den „24 Stunden von Le Mans“ aus.

Auf Anregung des amerikanischen Autoimporteurs und Sportwagenspezialisten Max Hoffmann baute Mercedes aus dem Rennwagen ein Showcar, das die Sensation beim New Yorker Autosalon 1954 bildete. Da die Studie praktisch einem Serienmodell entsprach, konnte die Karriere des SL quasi aus dem Stand ihren [foto id=“410910″ size=“small“ position=“left“]Lauf nehmen, mit einer damals revolutionären Benzindirekteinspritzung, die den Dreiliter zu 158 kW/215 PS befähigte.

Die englischen Motorsport-Enthusiasten waren angesichts der Überlegenheit des 300 SL nicht sicher, ob der Ruf nach der deutschen Rückkehr in den internationalen Motorsport die gewünschte Resonanz zeigte. Die deutsche Marke polarisierte mit Herkunftsland und Erfolgen die Motorsportler auf der Insel. Mit teilweise tragischen Folgen. Mike Hawthorn, 1958 erster englischer Formel-1-Weltmeister, war 1955 zu trauriger Berühmtheit gelangt. Er hatte mit seinem Jaguar bei den 24-Stunden von Le Mans“ einen Mercedes 300 SL „abgeschossen“, in die Tribühne geschleudert und damit die größte Katastrophe des Rennsports mit 85 Toten ausgelöst. Mercedes zog sich daraufhin für Jahrzehnte aus dem Rennsport zurück.

Ein Mercedes 300 SL bestimmte das Schicksal des Engländers bis zu seinem tragischen Ende. Vor der Saison 1959 hatte Hawthorn auf Bitten seiner Verlobten Abschied vom Rennsport genommen. Am 22. Januar 1959 befand sich der erklärte Hasser deutscher Automobile mit seinem Jaguar „Mark 1“ auf dem Weg zu seiner Braut, als ihn auf der Straße sein Freund Rob Walker mit einem 300 SL überholte. Hawthorn sah darin die Herausforderung zu einem Privatrennen. Es endete für ihn wegen Aquaplaning und Gegenverkehr wenig später tödlich am Stamm eines Eichenbaums.

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