Panorama: Mercedes Arocs – Ein Daimler rockt die Kiesgrube

Große Jungs brauchen große Spielzeuge. Und wenn sie dazu auch noch einen großen Sandkasten haben, dann gibt es dafür nichts Besseres als den neuen Mercedes Arocs. Denn mit sechs Zylindern, bis zu 15,6 Litern Hubraum, 458 kW/625 PS, maximal 3.500 Nm und im besten Fall acht angetriebenen Rädern rockt der Gigant fürs Gelände jede Kiesgrube.

 Allerdings ist das gewaltige Spielzeug nichts für kleine Kinder. Nicht nur, weil der Arocs in der dicksten Variante locker mehr als 300.000 Euro kostet. Sondern vor allem, weil er sooo groß ist. Allein der Kipper fasst runde zwölf Kubikmeter. Da passt genügend Spielsand für ein Dutzend Vorgarten-Sandkästen oder für zwei, drei Spielplätze rein. Und im Sommer könnte man ihn auch als mobilen Swimmingpool nutzen. Unbeladen etwa 18 Tonnen schwer, zeigt die Waage später über 40 Tonnen, nachdem ein Radlader drei riesige Schaufeln voll Kies in die stählerne Badewanne auf [foto id=“467137″ size=“small“ position=“left“]dem Rücken des Riesen geleert hat.

Wie auf dem Spielplatz ist auch das Einsteigen

Denn im Grund ist der Arocs eine Art Klettergerüst für große Jungs und man muss erst einmal eine Leiter erklimmen, bevor man die Kabine entern kann. Dann allerdings fühlt man sich wie der Lausbub, der es nach ganz oben auf das hölzernen Piratenschiff geschafft hat und schaut auf den Rest der Welt großmütig herab. Selbst der Mercedes GL aus dem Begleit-Pulk wird zu einem niedlichen Spielzeug, wenn man 2,50 Meter über dem Boden in einem ledernen Thronsessel versinkt, den eine individuell justierbare Luftfederung bei jedem Schlagloch sanft schwingen lässt: Der Blick geht durch eine riesige Panoramascheibe und vor dem Bauch hat man ein Lenkrad, auf das selbst der Kapitän der Queen Mary stolz wäre – schließlich misst es sicher mehr als 50 Zentimeter Durchmesser und liegt so gut in der Hand wie ein Profi-Werkzeug.

Der Rest des Cockpits ist schnell erkundet

Manche Schalter – wie zum Beispiel den Start-Knopf für den Motor – könnten auch aus A- oder E-Klasse stammen. Die Klimaregelung trägt vornehme Chromringe. Und was man nicht aus dem Auto kennt, erschließt sich schnell von selbst: Die in Reihe geschalteten Differentialsperren zum Beispiel oder die Motorbremse, die man wie den Blinker am Lenkstockhebel bedient. Das größte Verführungspotential hat aber der Umschalter für die Hupe: Eben noch eine mickrige Tröte wird sie plötzlich zu einem Horn von fast biblischer Klangkraft – dagegen sind die Trompeten von [foto id=“467138″ size=“small“ position=“right“]Jericho nur Blockflöten aus dem Kindergarten und wenn’s drauf ankommt, kann man damit wahrscheinlich sogar Hochhäuser ganz ohne Bagger und Dynamit einreißen.

Doch genug gespielt, jetzt wird gefahren

Ein Knopfdruck erweckt den OM471 zum Leben. So heißt der 12,8 Liter große Sechszylinder, der die Kabine jetzt durchschüttelt wie bei einem mittleren Erdbeben und dann ganz leise in die Leerlaufdrehzahl zurückfällt. Gang einlegen, Gas geben und gaaanz sachte die Kupplung kommen lassen – was mit den schweren Sicherheitsstiefeln gar nicht so einfach ist. Kein Wunder, dass der Benz erst einmal bockt, es schnell nach Kupplung riecht und der Start am Anfang ziemlich holprig gerät.

Hat man den Laster aber erst einmal in Fahrt gebracht, gibt es für ihn kaum ein Hindernis mehr. Mit Drehzahlen, so niedrig, dass jeder Pkw-Motor absterben würde, klettert er die steilsten Steigungen hinauf und lässt den GL abgeschlagen hinter sich. In abenteuerlicher Verschränkung rumpeln die vier Achsen über die Kamelhöcker. Mühelos sumpt der Arocs mit seinen hüfthohen Reifen auf den 22,5-Zoll-Felgen durch zerfurchte Schlammpfade, in denen jeder Geländewagen bäuchlings aufsetzen würde, und schleppt die über 20 Tonnen Kies im Kipper hinauf, als hätte er nur Watte im Wagen. Rund 525 PS und 2.500 Nm – da muss der normale Mercedes-Fahrer schon beim Werkstuner AMG anklopfen, wenn er in Sachen Leistung auch nur halbwegs mithalten möchte.

Nur das Rangieren ist bei einem Wendekreis von 20 Metern eine heikle Angelegenheit, selbst wenn dem Fahrer eine ganze Batterie von Spiegeln ganz neue Einblicke verschafft. Dass die Profis mit dem Arocs in Autobahnbaustellen oft kilometerweit rückwärtsfahren und dabei dank vier [foto id=“467139″ size=“small“ position=“left“]Rückwärtsgängen teilweise über 50 km/h erreichen – das mag man sich da lieber gar nicht vorstellen.

Überhaupt, die Sache mit dem Schalten

Der Arocs hat nicht nur drei Rückwärtsgänge, sondern vor allem 16 Vorwärtsgänge: Zwei mal vier in einem doppelten „H“ und dazwischen jeweils noch einen halben, den man mit einer kleinen Wippe aktiviert. Hillholder hin, Bergabfahrhilfe her  – da muss man sich im Gelände ganz schön konzentrieren und feinfühlig mit der Kupplung spielen, damit man sich hier unter lauter Profis nicht ziemlich blamiert und die Fuhre abwürgt wie ein Fahranfänger. Wie gut, dass Mercedes jetzt als erster Hersteller für solche Einsatzzwecke auch eine Automatik entwickelt hat. Dann wird die Tour durch die Kiesgrube tatsächlich zum Kinderspiel und man bugsiert den Riesen buchstäblich mit dem kleinen Finger über den Bau.

Groß wie eine Lokomotive, stark wie ein Supersportwagen und beladen wie ein Muldenkipper – kein Wunder, dass ordentlich Diesel durch die sechs jeweils über zwei Liter großen Zylinder gepumpt wird. Einen Normzyklus wie beim Pkw gibt es für die Laster nicht, und beim schweren Geländeeinsatz tun sich selbst Experten mit der Schätzung schwer. Aber 100 Liter für 100 Kilometer kommen da schnell zusammen, räumt einer der Ingenieure ein.

Allerdings schiebt er noch einen kleinen Trost hinterher: Der Arocs braucht nicht nur Diesel, sondern auch AdBlue, eine künstliche Harnstofflösung zur Abgasreinigung, [foto id=“467140″ size=“small“ position=“left“]und erfüllt als erster seiner Art schon die Euro VI-Norm. Die Luft, die oben am Dach aus dem Ofenrohr von Auspuff kommt, sei deshalb sauberer als die, die vorne durch den riesigen Kühlergrill mit Zähnen wie eine Baggerschaufel eingesogen wird, behaupten zumindest die Ingenieure.

Den halben Tag tobt der Gigant jetzt schon durch die Kiesgrube, hat Steilhänge gemeistert, die einem schon als Fußgänger viel Kondition abfordern, hat sich durch Sand und Schlamm gewühlt und so viel Dreck aufgewirbelt, dass jetzt noch Steinbrocken in den Gittern vor den Scheinwerfern hängen.

Auch innen zieht sich jetzt eine feine Staubschicht über die Instrumente und den Boden zieren kleine Sandhaufen. Das kommt davon, wenn man ständig ein- und aussteigt und in Engstellen neugierig aus dem Fenster lugt. Doch den versierten Baustellen-Trucker kostet der Dreck im Arocs kaum mehr als ein Lächeln: Routiniert greift er zu einem kleinen Schlauch hinter dem Fahrersitz, drückt den Abzug der daran montierten Pistole und bläst den Dreck mit Druckluft davon: Schon strahlt der König der Kiesgrube wieder in vollem Glanz.

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