Vergleichen mit Gefühl – Der Genteki-Rider

Der Oberkörper ist aufrecht und durchgestreckt, die Hände umklammern fest und sicher die Griffe – der Blick ist eisern auf die Straße fixiert. Wenn Norbert Klein auf einem Motorrad sitzt, beginnt für ihn hochkonzentrierte Arbeit. Der 45-Jährige ist einer von nur vier europäischen Testfahrern für Honda-Motorräder, die den Bikes den letzten Schliff für den europäischen Markt geben.

Feinabstimmung des Bikes

„Es geht in erster Linie um die Feinabstimmung des Bikes“, sagt Norbert Klein. „Wir wollen mit unseren Änderungswünschen das Motorrad für den europäischen Markt besser anpassen“, erklärt der Kölner. Die Veränderungen können Bremse, Fahrwerk, Motoransprechverhalten oder Ergonomie betreffen. Dabei geht es nicht darum, die Maschinen prinzipiell schneller zu machen. „Den Ingenieuren aus Japan ist wichtig, dass sie einen Blick über den Tellerrand bekommen“. Denn ein „richtiger“ Testfahrer ist Klein nicht: Der 45-Jährige ist zwar studierter Fahrzeugingenieur, doch er arbeitet seit Jahren im Produktmarketing von Honda.

Und genau darum geht es Honda:

Die Testfahraufgabe soll für die einzelnen Märkte von erfahrenen Leuten durchgeführt werden, die eben nicht in der Entwicklung arbeiten. Die Mitarbeiter aus dem Vertrieb wissen dabei am ehesten, was die Kunden wünschen. [foto id=“354552″ size=“small“ position=“left“]

Die ersten Prototypenfahrten

In der Regel passieren die ersten Prototypenfahrten ein Jahr vor der offiziellen Markteinführung. Neben Klein kommen noch Kollegen aus England, Italien und Spanien hinzu. Die Genteki-Rider spulen zuerst auf dem Versuchsgelände in Japan ihre Runden ab. Ein paar Monate später geht es dann unter normalen Verkehrsbedingungen auf öffentlichen Straßen weiter. „Die Strecke suchen wir dann je nach Fahrzeuggattung aus“, sagt Klein. Einen Roller teste man in einer italienischen Großstadt mit Kopfsteinpflaster, ein Tourenmotorrad eher auf deutschen Landstraßen und Autobahnen.

Erwartungen des Kunden erfüllen

So wie in der Pfalz. Zuerst wird ein Referenz-Bike der eigenen Marke genommen, oft der Vorgänger. Danach kommen die direkten Mitbewerber dran und dann die eigentliche Neuheit. „Nach der halbstündigen Fahrt werden dann die Vor- und Nachteile von Fahrwerk, Motor, Bremse und anderen Bereichen kurz notiert. Erst am Ende des Tages tauschen wir Eindrücke aus und diskutieren mit den Entwicklern“, sagt Klein. Praktisch [foto id=“354553″ size=“small“ position=“left“]bei den Fahrten sei die direkte Vergleichsmöglichkeit mit anderen Motorrädern. „Dabei fallen Kleinigkeiten viel besser und schneller auf.“ Letztendlich geht es darum, ob das Motorrad die Erwartungen des europäischen Kunden erfüllen kann.

Dass die Geschmäcker der Biker auf den verschieden Kontinenten unterschiedlich sind, zeigen schon die Goldwing und die neue Crossrunner. Während der schwere Sechszylinder-Cruiser mit Rückwärtsgang eher für die amerikanischen Highways gemacht ist und in engen Eifel-Serpentinen an die Grenze stößt, ist die Mischung aus Sportmotor und Enduro-Anmutung bei der Crossruner mehr etwas für europäische Kunden. „Die Europäer sind anspruchsvoller was Leistung und Qualität angeht. Bremsenquietschen wird bei uns nicht akzeptiert. Außerdem wird hier deutlich schneller gefahren als in den USA oder in Japan. Dafür müssen die Fahrzeuge auch ausgelegt sein“, sagt der Fachmann.

Laufbahn

An den außergewöhnlichen Job ist der Vater zweier Kinder schon kurz nach seinem Eintritt bei Honda vor zwölf Jahren gekommen. Nach seinem Studium und viel Erfahrung als Hobby-Motorrad-Rennfahrer – er war 1997 deutscher Meister beim Rundstreckenpokal – kam er zuerst in die Homologationsabteilung des technischen Service von Honda. Dort ging es unter anderem um Reifentests für die Freigaben. Dann schied sein Vorgänger aus und Klein wurde gefragt, ob er den Zusatzjob übernehmen kann. „Da sagt man natürlich [foto id=“354554″ size=“small“ position=“left“]nicht Nein, das ist vielmehr eine Ehre.“ Sein erstes zu testendes Motorrad war ein CBR 600 F (PC35) von 2002, daran erinnert er sich auch noch heute gerne. „Die ging sehr gut, ein tolles Bike.“ Gefallen hat ihm aber auch die Hornet 900. Da hat alles gut gepasst, die musste ich mir kaufen und fahre sie noch heute.“

Die Risiken sind überschaubar und die Arbeit ist nicht besonders gefährlich. „Wir bewegen uns ja auf öffentlichen Straßen und fahren nicht letzte Rille“. Das macht er lieber in seiner Freizeit. Wenn es der Terminkalender zulässt, startet er mit seinem privaten Rennbike beim Motorrad Seriensport Pokal – mit einer Honda CBR 600 RR mit Dunlop-Bereifung. Denn Motorrad fahren ist schon lange seine Leidenschaft, unabhängig von seinem Job. „Seit ich den Zweitaktgeruch von Mofas in der Nase habe, komme ich von Zweirädern nicht mehr los. Das bleibt auch hoffentlich so.“

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