Vorbildliches Paris: 3 000 Elektroautos für die Metropole

Die Stadt Paris will ihrem alltäglichen Verkehrschaos zu Leibe rücken. Im Oktober dieses Jahres soll pünktlich zum Pariser Autosalons der Startschuss für das System „Autolib“ fallen. Unter diesem Namen haben sich die Pariser Stadtverwaltung und rund 40 weitere Orte im Umkreis zusammengeschlossen. Im Erfolgsfall könnte das Projekt europaweit Schule machen. Die Bezeichnung „Autolib“ ist abgeleitet von einem seit vier Jahren gut funktionierenden Fahrrad-Verleihsystem namens Vélib (véhicule – liberté). Das einfache Prinzip: Fahrräder können gegen kleines Geld nach dem Selbstbedienungsprinzip ausgeliehen und an einem anderen Platz in der Stadt wieder abgestellt werden.

Mit den Elektroautos von Autolib soll das nun ebenso einfach funktionieren. Das als Autobauer bisher nicht in Erscheinung getretene Unternehmen Bolloré hat überraschender Weise die Ausschreibung gewonnen. Der Pariser Mineralöl-Mischkonzern soll das System in Gang setzen und für reibungslosen Betrieb sorgen. Als Fortbewegungsmittel dient ein viersitziges Elektroauto vom Typ „Bluecar“. Gebaut wird es bei Pininfarina in Turin, dem Joint Venture-Partner der Franzosen. Herzstück des bis zu 130 km/h schnellen E-Mobils ist eine 300 Kilogramm schwere Lithium-Polymer-Batterie (LMP) mit einem Energiegehalt von 30 kWh. Mit ihrer Hilfe soll der nur 3,65 Meter lange Stromer über eine Reichweite von 250 Kilometern verfügen.

Zielgruppe des Pariser Projekts

Örtliche Zielgruppe des Pariser Projekts sind vier Millionen Führerscheininhaber der Metropole. Durchreisende oder deutsche Paris-Touristen können Autolib ebenfalls nutzen. 3 000 Elektroautos sollen dazu an 1 000 Standorten im Großraum Paris zur Miete zur Verfügung stehen. Das Besondere daran: Mit der Größe und Art der Fahrzeugflotte geht das französische Angebot deutlich über deutsche Carsharing-Angebote hinaus. Zwar betreibt auch Daimler in Ulm und ab 1. April in Hamburg das vielversprechende Pilotprojekt „car2go“. Jeweils 300 Kleinstwagen Smart können dort von registrierten Nutzern minutenweise gemietet und an einer beliebigen Stelle innerhalb des Geschäftsgebietes zurückgegeben werden. Über vielversprechenden Versuchscharakter sind diese lobenswerten Feldversuche hierzulande bisher noch nicht hinausgekommen. Auch die Vision vom abgasfrei durch die City flitzenden Elektro-Smart ist bei „car2go“ mangels einer großserienreifen E-Version des Smarts derzeit noch Zukunftsmusik. Kein Wunder also, dass der Duisburger „Automobil-Professor“ Ferdinand Dudenhöffer im Zusammenhang mit Autolib in einem Gastbeitrag für eine Zeitung kürzlich von „neuen Formen der individuellen Mobilität“ geschwärmt hat.

Aber die Betreiber des französischen Projekts wissen auch, dass ihr Konzept nur funktioniert, wenn Übernahme und Abgabe der Autos einfach und schnell vonstatten gehen. Erklärtes Ziel ist es, die Übernahme in zehn Minuten und die Abgabe in zwei bis drei Minuten über die Bühne zu bringen. Die derzeit ins Auge gefassten Tarife sind attraktiv: Ein Tag [foto id=“349093″ size=“small“ position=“left“]kostet zehn Euro, die Woche 15 Euro und ein Jahresabonnement kostet pro Monat zwölf Euro. Hinzu kommt eine Versicherung, die eine Kaution in Höhe von 250 Euro enthält. Die kleinstmögliche Nutzungsdauer, eine halbe Stunde, kostet fünf Euro. Wer mit dem E-Mobil einen Unfall verursacht, muss eine Selbstbeteiligungspauschale in Höhe von 500 Euro berappen.

700 Stationen sollen an öffentlichen Straßen im Innenstadtbereich von Paris eingerichtet werden. Geparkt wird unterirdisch. Vier bis zehn Ladestationen stehen pro Station zur Verfügung, um die Stromer wieder „aufzutanken“. Wer Autolib nutzen will, benötigt eine Abonnement-Karte. Am Ladeterminal gibt man dann seinen vorher angeforderten Code ein, kann damit das Bluecar abnabeln und losfahren. An der Zielstation angekommen, stellt sich allerdings die Frage: Finde ich einen Parkplatz? Das könnte sich als große Schwachstelle des Systems erweisen. Denn noch weiß niemand, wie die Auslastung der Stationen realistisch eingeschätzt werden kann. Eine weitere, viel wichtigere Kernfrage an die Einwohner des größten Ballungsraums Frankreich ist ebenfalls noch ungelöst: Wird es gelingen, die stolzen Pariser aus ihrem eigenen Pkw rauszukriegen?

Umweltschützer

Auch die Umweltschützer hat Autolib noch nicht auf seiner Seite. Sie werden womöglich zusätzliche Autos in dieser Stadt nicht tolerieren. Die alternativen Parlamentarier, die in der rot-grünen Pariser Stadtverwaltung die Mehrheit haben, sind beunruhigt über tausende neuer Parkplätze, die eingerichtet werden müssen. Es ist höchste Zeit für alle Beteiligten, die drängenden Fragen zu klären, denn bereits im April sollen die Arbeiten beginnen.

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