Chinesische Autobauer in Europa – Zweiter Ansturm auf die Große Mauer

Die ersten Fahrzeug-Importe chinesischer Hersteller haben Europas selbstbewusste Autobauer nicht verunsichert – dafür aber Europas Straßen: Der Geländewagen  Landwind von Jiangling und die Möchtegern-Premiumlimousine vom chinesischen BMW-Partner Brilliance prallten an der Großen Mauer des Euro-NCAP-Tests ab: Sagenhaft schlechte Crash-Werte sorgten dafür, dass die Modelle zusammen mit ihren Herstellern erst einmal wieder aus unseren Breitengraden verschwunden sind. Das Institut Euro NCAP hat zwei anderen China-Autos vor wenigen Monaten allerdings bereits vier von fünf Punkten gegeben – und eine „spektakuläre Entwicklung“ bescheinigt.

Die nächste „Große Mauer“ führen die Chinesen in diesem Jahr selber im Namen – und die Macher aus Fernost sind sich ebenso sicher wie deutsche Branchenkenner, dass der neue Angriff durch die Marke „Great Wall“ nicht an jämmerlicher Handwerkskunst scheitern wird. „Jeden Tag werden wir ein klein wenig besser“, das ist der Anspruch, den Firmenchef und Milliardär Wei Jian Jun an sich und seine 18.000 Mitarbeiter stellt. Auch nach Meinung von Experten hier in Deutschland wird die Markteroberung Europas durch die Chinesen in den kommenden Jahren „Stück für Stück“ vorangehen. So könnten bis 2017 alle Marken aus dem Reich der Mitte in Osteuropa „fünf bis sechs Prozent“ Marktanteil erobern.

Wer in einem Voleex C10 der Marke Platz nimmt, der kommt schnell zu der Überzeugung, dass die Schritte so klein gar nicht sind. Blanke Bleche, scharfkantige Grate oder wacklige Kunststoffe sind im Cockpit nicht zu sehen. Im Gegenteil: Die Materialien können auf den ersten Blick durchaus mit den direkten Rivalen Toyota Yaris und Hyundai i20 mithalten. Die Farben sind sogar eine Spur frischer. Und auch von außen wirkt die Front mutig-eigenständig, Seite und Heck allerdings erinnern noch stark an den Yaris – und die Zeit, als Great Wall mit [foto id=“406701″ size=“small“ position=“right“]dreisten Kopien etwa des Fiat Panda Klagen der Italiener auf sich zog. Deren Panda-Klon Peri wurde daraufhin vom europäischen Markt verbannt.

Jetzt will Great Wall alles besser machen – und das sogar „made in Europe“. Als erster chinesischer Autohersteller hat die Marke hier ein eigenes Werk eröffnet. In Bahovitsa nahe dem bulgarischen Lowetsch bauen 150 Einheimische seit November schon testweise C10 und Pickups vom Typ Steed 5 (von der Größe des VW Amarok) zusammen. In diesen Tagen fährt die Fertigung hoch – in vier, fünf Jahren können im Drei-Schicht-Betrieb bis zu  70.000 Autos pro Jahr vom Band laufen, wie der Marketingdirektor des örtlichen Partners Litex, Iwo Dekow, meint. Zehnmal mehr Werker werden dann ein halbes Dutzend Modelle bauen – und auch den Nachfahren des C10.

Für 8.200 Euro erhält der europäische Kunde dabei schon heute ein Fahrzeug, das mit Klimaanlage, Radio, elektrischen Fensterhebern, Zentralverriegelung und Alu-Rädern deutlich freudvoller ausgestattet ist als vergleichbar billige Konkurrenten. Im chinesischen NCAP-Test, der ab diesem Jahr annähernd den Euro-Normen entspricht, hat der C10 fünf Sterne bekommen. Der deutsche Kunde wird davon aber erst einmal nicht so leicht etwas merken. Denn unser Markt ist für Great Wall noch eine noch zu große Mauer. Erst einmal soll von Bulgarien aus Osteuropa, dann Skandinavien und Großbritannien erobert werden. Aber Deutschland ist fest im Blick, so schnell wie möglich will man auch hier präsent sein. Great Wall hat von den japanischen und koreanischen Konkurrenten gelernt – auch, wie es nicht geht.

Billig allein können nämlich seit dem Fall des Eisernen Vorhangs längst auch die europäischen Konzerne: Der VW-Konzern hat Skoda und produziert in vielen Ländern des früheren Ostblocks. Renault kontert mit Dacia. Die paar 100 Euro, die Great Walls C10 billiger ist als ein vergleichbarer Dacia Sandero, reichen noch nicht, um den Vertrauensnachteil bei den westeuropäischen Kunden aufzuholen. Da ist schon eher der Schleuderschutz ESP wichtig. Den gibt es aber im C10 erst ab Ende 2012. Nachsitzen ist also angesagt.

Denn wenn Preis und Leistung nicht stimmen, müssen selbst altgediente Asiaten das Feld wieder räumen. Die Toyota-Tochter Daihatsu etwa produziert ihre Kleinwagen nicht in Europa – und damit zu teuer. Nach 35 Jahren wird die Marke darum Ende des Jahres den Vertrieb in zehn europäischen Ländern, darunter auch Deutschland, einstellen. Auch Mitsubishi muss nach der gescheiterten Ehe mit Daimler kämpfen. Das Werk in den [foto id=“406702″ size=“small“ position=“left“]Niederlanden, wo einst Smarts neben Colts vom Band rollten, wird geschlossen. Proton aus Malaysia hatte zwischen 1995 bis 2001 gerade einmal rund 2.000 Billigfahrzeuge in Deutschland verkaufen können. Die Marke ist hierzulande längst Geschichte.

Koreanische Konkurrenten könnten da auch langfristig erfolgreicher sein. Vor rund zwanzig Jahren sind Hyundai und Kia hierzulande gestartet. Die Koreaner bauen heute „europäische“ Autos, sowohl was das Design, als auch was Sicherheit und Technik angeht. Die Zentren für Design, Forschung und Entwicklung solcher Fahrzeuge liegen nicht von ungefähr in Deutschland – ein paar 100 Kilometer weiter östlich in Tschechien und der Slowakei werden der Hyundai i30 oder Kia Ceed dann gebaut. Der Erfolg gibt den Koreanern Recht. Aber auch Toyota entwickelt das Design einiger Modelle längst in Südfrankreich, baut in Tschechien – alles auf der Suche nach europäischem Flair.

„Was heute die Koreaner sind, werden in spätestens 15 Jahren Geely, Great Wall oder Chery sein“, sind sich Experten sicher. Denn auch Great Walls Wettbewerber bauen auf europäische Auto-Erfahrung. Geely hat sich dazu vor eineinhalb Jahren den schwedischen Hersteller Volvo von Ford gekauft, Chery immerhin gemeinsam mit der italienischen DR Motor Ende 2011 das Fiat-Werk im sizilianischen Termini Imerese, wo zuletzt der Lancia Ypsilon vom Band lief. Auch so wollen die Chinesen besser werden – Schritt für Schritt, jeden Tag ein kleines bisschen mehr. Und womöglich viel schneller als gedacht.

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