Concorso di Motociclette 2014 – Zweirädrige Ikonen am Comer See

Natürlich: Ferrari, Maserati, Rolls-Royce und Mercedes dominieren am letzten Mai-Wochenende das Geschehen am südlichen Ende des Comer Sees. Sowohl die historischen Automobile wie auch die Concept Cars der jüngsten Zeit sind es, welche die Masse der Besucher faszinieren. Vorwiegend ihretwegen pilgern Tausende nach Cernobbio, unweit von Como gelegen. Verglichen damit ist das Interesse an den Zweirädern gering. Doch im vierten Jahr, in dem es nun auch einen Concorso di Motociclette gibt, hat das Teilnehmerfeld ein Niveau erreicht, das seinesgleichen sucht. Die Freunde historischer Zweirad-Juwelen wissen es zu schätzen und kommen in immer größerer Zahl.

Denn die Offerte der Veranstalter, BMW Classic und das Grandhotel Villa d’Este, ist vom Allerfeinsten. So gibt es neben den vier regulären Kategorien, in die das Feld von insgesamt 35 Motorrädern klassiert ist, eine Gruppe von Weltrekord-Fahrzeugen. Die fünf, allesamt aus den Jahren 1929 bis 1937, hielten jeweils eine Zeitlang den Geschwindigkeits-Weltrekord. Nun stehen sie hintereinander in der im Park der nah bei der Villa d’Este gelegenen Villa Erba, fast so, als wären sie im Windschatten unterwegs.[foto id=“512245″ size=“small“ position=“right“]

Ganz hinten der älteste und, logisch, „langsamste“ Renner. Ernst Henne, der furchtlose Ritter ohne schützende Rüstung, trieb schon 1929 – BMW baute damals erst seit sechs Jahren Motorräder – die BMW 750 auf sagenhafte 216,75 km/h. Davor duckt sich eine Zenith Temple mit JAP-Kompressormotor, die es 1930 gleich zu mehreren Erfolgen brachte. Die Zenith klebt förmlich am Hinterrad der ebenfalls mit einem JAP-V2-Motor ausgerüsteten OEC Temple; der Engländer Joe Wright kam 1930 damit auf gut 220 km/h und überflügelte damit Ernst Henne. Bei einem späteren Rekordversuch setzte er unzulässigerweise die Zenith Temple JAP ein und erreichte sogar mehr als 242 km/h.

1937 stieß man dann in ganz neue Geschwindigkeitsregionen vor: Der Italiener Piero Tarfuffi brachte es mit einer vollverkleideten Gilera Rondine, die ein an ein Flugzeug erinnerndes Heck aufweist, auf sensationelle 274,181 km/h, und zwar am 21. Oktober. Da blieb der Konkurrenz nicht mehr viel Zeit zum Kontern. Doch BMW schaffte es: Die stromlinienförmige 500er von Ernst Henne, mit der schon einige Jahre experimentiert worden war, kam mit einem aufgeladenen 100-PS-Boxermotor am 28. November auf 279,503 km/h. Der Rekord hielt 14 Jahre. Nie zuvor waren diese fünf in den 1930er Jahren dominierenden Rekordbikes zusammen zu sehen gewesen. Ehrfürchtig werden sie von den Betrachtern mit den Augen gestreichelt.[foto id=“512246″ size=“small“ position=“left“]

So aufregend diese Rekord-Maschinen auch sind: Die restlichen 30 Ausstellungsstücke faszinieren nicht minder. In der Klasse „The Great Gatsby“ ragt die amerikanische Henderson Model K mit 1,3 Liter-Vierzylindermotor heraus. Nicht weniger interessant ist die Brough Superior SS 100 aus England; ihre Modellbezeichnung verspricht eine Maximalgeschwindigkeit von 100 Meilen pro Stunde (ca. 160 km/h). Und wir reden vom Jahr 1926! Noch dieses Jahr wird übrigens eine moderne Version der SS 100 in Kleinserie auf den Markt kommen; der aktuelle Besitzer der Marke Brough Superior, Mark Upham, verfolgte den Auftritt des Ahnen mit großem Interesse. Er will mit seinem Remake anknüpfen an den Ruf der Brough Superiors der 1930er Jahre: Da galten sie als die „Rolls-Royce unter den Motorrädern“.

Faszinierend ist auch das Teilnehmerfeld der Kategorie „Elegance of Sidecars“. Die Jury favorisiert schließlich das vom Schweizer Daniel Kessler im Stil der Zeit pilotierte Universal-Gespann von 1933, lässt aber auch für die Kombination Beardmore Precison „Fish“ große Sympathien erkennen. Das „Boot“ in Form eines Fisches ist eines der meistfotografierten Objekte dieser Schau.

Eher unscheinbar wirken die Bikes, welche die „First Steps of Japan“ dokumentieren. Die fünf Motorräder aus Fernost veranschaulichen, wie die Japaner an der Wendemarke vom Nutzfahrzeug zum Spaß- und Freizeitbike in den 1950er und 1960er Jahren den Weltmarkt erobern konnten. Yamaha, Honda, Kawasaki und Suzuki – gezeigt wird mit der RE5 das einzige je in Japan gebaute Wankel-Motorrad – überlebten, [foto id=“512247″ size=“small“ position=“right“]während die Marke Lilac 1962 insolvent wurde; am Comer See zu sehen ist das äußerst rare Lilac-Modell LS-18 mit 247-ccm-Zweizylinder-V-Motor.

Bei den Enduro-Rennmaschinen „Sixdays in the Sixties“ geben am Comer See die italienischen Marken Moto Morini, Gilera und Moto Guzzi den Ton an; drei Modelle dieser Hersteller zieht die Jury in die engere Wahl für die Prämierung, obwohl auch extreme Raritäten wie eine Maserati 4 Regolarità (1961) oder eine 125er Laverda von 1968 um die Gunst der Juroren buhlen. Den Sieg in dieser Klasse trägt schließlich das jüngste Motorrad dieser Klasse davon, die 1971 gebaute Moto Morini Corsaro; mit ihrem Viertaktmotor war sie die letzte Vertreterin ihrer Gattung, die sich noch eine Zeitlang gegen die stärkeren und leichteren Zweitakter behaupten konnte.

Die größte Spreizung des Baujahres – von 1906 bis 1954 – weist die Gruppe „Top in Class“ auf; hier sind Motorräder mit ganz besonderen technischen Lösungsansätzen zusammengefasst. Den Sieg trägt eine in Chemnitz gebaute Wanderer 3PS davon, immerhin stolze 111 Jahre alt. Nur wenigen Experten bekannt ist das Modell Rumi Competizione SS 52 „Gobetto“, 1954 in Italien entstanden. Das höchst ungewöhnliche, aber erfolgreiche Baukonzept des Rumi-Zweizylindermotors mit nur 124 Kubikzentimetern ist niemals von einem anderen Hersteller aufgegriffen worden.

Dass seine BMW R 32, immerhin weltweit das älteste bekannte Exemplar des ersten BMW-Modells, nur den dritten Platz der „Top in Class“-Bikes belegt, quittiert Besitzer Peter Nettesheim aus Long Island (USA) mit einem souveränen Lächeln. Er weiß von vorneherein, dass auf dieser von BMW beschirmten Veranstaltung niemals eine BMW ganz vorne landen kann, und sei sie noch so schön, wertvoll und wichtig. [foto id=“512248″ size=“small“ position=“left“]Wer Nettesheim kennt, weiß, dass er auf Siegerpokale längst nicht mehr angewiesen ist: Seine BMW-Sammlung stellt sogar die des Werksmuseums in den Schatten.  Ölige Finger gehören bei ihm dennoch dazu: An Ort und Stelle kümmert sich der US-Multimillionär um einen kleine technische Unregelmäßigkeit seiner R 32 – erfolgreich, natürlich. Denn Nettesheim liebt es, zu schrauben. Und zu erzählen – beispielsweise davon, wie konzentriert man vorgehen muss, um während des Fahrens die sechs Bedienungselemente der R32 höchst sensibel zu betätigen.

Fazit

Für Zweirad-Fans war der Concorso di Motociclette 2014 ein Erlebnis. Eine derartige Ansammlung von Pretiosen bekamen die Besucher noch nie geboten. Man darf gespannt sein, ob und wie die Veranstalter in den kommenden Jahres dieses Niveau halten oder sogar übertroffen werden.

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