BMW

Eastside Maschine – Der Osten rüstet auf

Ronny Kauerhof — Tuning hat viele Facetten. Das reicht von Fahrzeugen, die nur fürs Auge aufgehübscht werden bis zu Boliden, denen das letzte Quäntchen Leistung entlockt wird. Im Osten von Leipzig sind viele Bastler am Frickeln. Dabei war die Messestadt vor 1989 gar nicht auf der Landkarte der Autofabriken. In der ehemaligen DDR beschränkte sich die Vielfalt auf den Straßen auf Trabi, Wartburg sowie vereinzelte Škoda, Lada und Co. Erst rund zehn Jahre nach der Wende siedelten sich BMW und Porsche an. Doch während von den Fließbändern der Werke neue Modelle wie der BMW 1er, der X1 oder Cayenne und Panamera aus dem Hause Porsche rollen, kommen BMWs der Achtziger- und Neunzigerjahre beim Schraubervolk immer noch am besten an. So auch bei Andrè Roick. Er ist Teil der Community um »Leipzig-tunt«. In seiner Werkstatt »Eastside Maschine« ist jeder bei Umbauprojekten gut aufgehoben.

Ein Auto zum Verlieben – eine Marke für die Ewigkeit

1997 fand er seine erste automobile Liebe. Es war ein BMW 3er mit einem Reihen-6-Zylinder. Im E 30 suchte und fand er sportlichen Chic. Wie Roick lächelnd [foto id=“454593″ size=“small“ position=“left“] zu gibt, bekam er das M-Coupé mit einem 2.0-Liter Motor für schmales Geld. Nach Eingriffen am Fahrwerk verbesserte er mit Felgen und neuem Anstrich die Optik. Den umgestalteten Wagen verkaufte er kurz nachdem alle Arbeiten abgeschlossen waren mit erheblichem Gewinn. Auch jetzt noch schlägt sein Herz für BMW. Roick ist überzeugt, dass viele Autofahrer bei der Marke hängen bleiben, die sie zuerst hatten, und beginnt sofort, vom seiner Meinung nach kultiviertesten Motor zu schwärmen. Ein Reihen-6-Zylinder vereinige Kraft, Spritzigkeit, Sparsamkeit und Laufkultur. Dabei klinge er gut und sei außerdem im Unterhalt finanzierbar.

Früh übt sich, wer ein Tuner werden will

Angefangen hat  für den Kfz-Meister alles mit einer Art gigantischem Puzzle. Zwei Kisten voller Einzelteile plus Rahmen und Räder sollten sein erstes motorisiertes Fortbewegungsmittel werden. Im Alter von 13 Jahren schenkte ihm sein Onkel ein Moped, eine Simson S50. Einen Sommer lang schraubte der Leipziger an dem Gefährt. Im Garten der Eltern grübelte er jeden Tag ohne jegliche Vorkenntnisse, wo wohl dieses oder jenes Teil hingehöre. Als das Moped endlich fertig vor ihm stand, fuhr es jedoch nicht. Der Unterbrecherkontakt musste eingestellt werden. Bei diesem letzten Feinschliff half der Onkel. »Dann lief das Ding« und Andrè Roick war von der Arbeit an Motoren infiziert. Bei Wald-, Feld- und Wiesenexperimenten reizte er die 50 ccm komplett aus und quetsche die letzten Leistungsreserven heraus. Gleichzeitig startete er mit dem Einbau eines neuen Motors, Getriebes und neuer Vergaserdüsen das Frisieren motorisierter Fahrzeuge.

[foto id=“454602″ size=“small“ position=“right“]Fuhrpark, nein Fuhrwald

Mittlerweile haben sich an die 40 Fahrzeuge angesammelt, in deren Kfz-Brief er eingetragen war. Nach dem BMW Coupé folgte das gleiche Modell als Limousine, da er sehr jung Vater geworden war und die Extratüren für den Fond gut gebrauchen konnte. Über einen Golf 2 Diesel, den er um Steuern zu sparen zum Lkw umgebaut hatte, einen Opel Vectra A, dem sportlichen Ford Mondeo ST 200 und zwei Opel Astra F fand er immer wieder zu BMW zurück. Wagen der BMW 5er– und 7er-Reihe stehen für den kleinen Luxus, den Roick sich ab und zu gönnte. Trotzdem war es für ihn immer wieder eine Herausforderung Auspuffanlage, Fahrwerk und Karosserie so abzustimmen, dass aus Serienfahrzeugen Unikate wurden. Sein momentaner Schatz ist ein nahezu unberührtes BMW 3er Cabrio von 1984. Nach Roicks Dafürhalten ist es ein Klassiker unter den Fahrzeugen des späten 20. Jahrhunderts.

Lehrjahrzehnt

Der Weg zum Kfz-Mechaniker-Meister war lang und beschwerlich. Begonnen hat wieder alles mit dem Onkel, der in seinem Betrieb aus Lehrlingen Metallbau-Facharbeiter formte. Im Anschluss verpflichtete sich Andrè Roick für acht Jahre bei der Bundeswehr. Hier konnte er seine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker absolvieren und seinen Meister machen. Viel Erfahrung sammelte er mit Fahrzeugen von Volkswagen und Mercedes.

[foto id=“454603″ size=“small“ position=“right“]Besonders VW Golf 3 und 4 sowie die Transporter T3, T4  – auch als Caravelle – hatte er während seiner Dienstzeit oft auf der Hebebühne. In ihrer Freizeit durften die Soldaten ebenfalls an ihren Autos schrauben, obwohl das die Heeresleitung nicht gern sah. Roick konnte seinen Vorgesetzten überzeugen, weil schraubende Tuner in der Zeit keine Verkehrsunfälle verursachen konnten. Er erinnert sich an diese Zeit mit viel Schmerz, da laut eigener Aussage mehr Kameraden durch Fahrten nach Alkoholgenuss getötet wurden, als bei Auslandseinsätzen. So rettete das Aufmotzen von Autos Leben und verfestigte in Roick den Wunsch, in diesem Feld tätig zu werden.

[foto id=“454604″ size=“small“ position=“left“]Endlich eine eigene Werkstatt

2007 hing er sein Gewehr an den Nagel und widmete sich seiner Berufung. In einer Halle auf dem Gelände eines ehemaligen Betonwerkes half er Bekannten und Verwandten bei Reparaturen ihrer Fahrzeuge. Zuerst maß die Werkstatt 70 Quadratmeter. Doch seitdem werkelt Roick an seinen Traum. Wo anfänglich eine 20 Jahre alte Hebebühne für 1.500 Euro, eine uralte Reifenauswuchtmaschine sowie kleine Kompressoren standen, arbeiten die Mannen von Eastside Maschine jetzt mit Top-Technik.

[foto id=“454605″ size=“small“ position=“right“]Die traurige Geschichte des kleinen M3

Während der vergangenen Jahre entstanden viele kleine Schmuckstücke, die auf Veranstaltungen wie der XS-Car-Night Pokale einheimsten. Der größte Stolz der Eastside Maschine Crew war ein E46. Der BMW 323i wurde im Auftrag eines Kunden komplett umgebaut. Der Limousine sieht man diese extremen Veränderungen nur bedingt an, aber zum Kaufpreis von 13.000 Euro haben die Schrauber von Eastside Maschine etwa 35.000 Euro in den Wagen gesteckt. Das Ziel war klar: so tief, so breit, so laut, so schnell und außergewöhnlich wie möglich. Die Maßgabe konnte nur mit einem Deal umgesetzt werden. Der Besitzer des BMW zahlt alle Materialien und die Tuner opfern ihre freie Zeit und können das Auto für Werbezwecke nutzen.

[foto id=“454606″ size=“small“ position=“right“]Frontschürzen, Heckschürzen, Rieger Seitenschweller heben ihn äußerlich zwar von der Masse ab, doch die wirkliche Herausforderung sah Roick in der vierflutigen Auspuffanlage mit zwei »reinrassigen Endschalldämpfern«. Beim E46 liegt der Batteriekasten ungünstig, so dass kein zweiter Schalldämpfer neben die Ersatzradmulde passte. Um dennoch eine Abgasanlage, welche gleichmäßig abbläst anzubringen, musste die Bodengruppe 20 Zentimetern nach oben verlagert werden.

Mit einem Gewindefahrwerk von KW hatte der Bolide danach eine Bodenfreiheit von acht Zentimetern. Die Motorhaube mit den Entlüftungsschlitzen fertigte Roick selbst. Das Auto hatte 18 Zoll Alufelgen, gelochte Bremsscheiben, lackierte Bremssättel und mit zweifarbigem Leder bezogene Sportsitze. Nach zwei Jahren und vier Komplettlackierungen in Oxfordgrün-Metallic stand das Auto bei zwei Veranstaltungen und war stolze vier Wochen angemeldet. Im November war die Saison für den BMW dann beendet. Der Wagen sollte die kalte Jahreszeit in einer Scheune sicher überstehen. Weder der Besitzer des Fahrzeugs, noch Roick konnten damit rechnen, dass das Dach den Schneemassen im Rekordwinter 2010 nicht standhielt. Die Überreste des komplett zerstörten BMW können im Hof der Werkstatt besichtigt werden. Roick fährt indes fort und spricht über die rechtlichen Konsequenzen und Verantwortung des Unglücks.

[foto id=“454607″ size=“small“ position=“left“]Ingenieursleistung und Zulassungsvoraussetzungen

Trotz des Schocks baute er natürlich weiter an Autos. Sein bislang letztes Großprojekt war ein Chrysler 300 C. Obwohl der Kunde anfangs nur eine individuelle Auspuffanlage wollte, veränderte sich das amerikanische Schlachtschiff über die vergangenen Jahre erheblich. Immense Anstrengungen unternahm Roick bei der Entwicklung einer zweiflutigen Edelstahlauspuffanlage für den 3,5-Liter V6-Motor. Diese musste ein Prüfer im Hinblick auf Lautstärke und technische Funktionstüchtigkeit abnehmen. Handelsübliche 18 oder 20 Zoll-Felgen waren nicht auffällig genug an diesem 5,15-Meter-Boliden. Für die 22 Zoll-Felgen wurden Adapterplatten bei einer Nürnberger Firma angefertigt. Um dann die Felgen TN4 von Tomason zu montieren, musste wiederum ein Teilegutachten erstellt werden.

Ein KW-Gewindefahrwerk der Variante 3, das in Zug- und Druckstufe einstellbar ist, verbessern die Straßenlage. Ebenfalls mit viel Kreativität wurde die Heckschürze um sechs Zentimeter verlängert. Das Prozedere setzte sich aus zackenartigem Auseinanderschneiden und Kunstschweißarbeiten zusammen. Der Grill wurde Bentley-artig verändert, sodass der Eindruck einer Singleframefront entsteht. Eine Motorhaube mit Lufthutzen wurde aus den USA importiert. Den letzten Schliff erhielt der Wagen durch die zweifarbige Neulackierung in Silber-Bordeauxrot. Am Ende war das Auto »komplett nackt«, also ohne Embleme und Seitenblinker. Bei Projekten wie diesem lässt es sich Roick nicht nehmen, selbst alle Spezialumbauten in den Fahrzeugschein eintragen zu lassen.

[foto id=“454608″ size=“small“ position=“right“]Messeerfolg und Feminale Aussichten

Auf der 2011er Automobilmesse – AMI in Leipzig teilten sich die Mitglieder von »Leipzig-tunt« 200 Quadratmeter. Drei Laster Sand, Schilf und eine Bambusbar verwandelten den Stand in ein Stück Karibik. Präsentiert wurden neben dem Chrysler jeweils ein Golf 2 und 4, ein Mercedes 500 SL, ein Mazda RX-8 mit Wankelmotor sowie ein Formel 3000 Rennwagen. Für ihre Präsentation wurden sie mit einem Publikumspreis ausgezeichnet. Auch sonst ist Andrè Roick meist nur auf regionalen Treffen, da neben Familie und Werkstatt kaum Zeit bleibt.

Unter den Abdeckungen in der Garage finden sich etliche automobile Highlights. Fahrzeuge wie der Oldtimer Cadillac Eldorado von 1967 stehen nicht nur auf Messen wie der Tattoo-Expo in Leipzig. Freunde fahren schon mal damit aufs Standesamt. [foto id=“454609″ size=“small“ position=“left“]Abgesehen davon zeigen Frauen laut Roick kein all zu großes Interesse an den Fahrzeugen. Der Schrauber hofft jedoch, dass bald nicht mehr nur jedes 20. Fahrzeug von weiblichen Wesen auf den Parkplatz der Werkstatt gefahren wird. Seinen Teil würde er gern dazu beitragen und mal ein richtiges »Tussyauto« bauen. Er stellt es sich als pinkes Traumauto mit Schuhregal im Kofferraum vor.

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