Kommentar Genf 2010: Die Schockstarre scheint überwunden

Jedes in Genf auf dem Automobilsalon ausstellende Unternehmen beteuert immer wieder, dieses Jahr werde ein schwieriges Jahr. Und dennoch haben alle etwas zu sagen und zu zeigen. Die meisten stemmen sich gegen die frustrierenden Erfahrungen des vergangenen Jahres mit Neuheiten – meist kleiner, sparsamer und schicker.

Selbst die Großen, die Luxuriösen und die Schnellen trauen sich nicht mehr anzutreten, ohne einen Minderverbrauch von einem Fünftel oder zumindest den Einsatz CO2-neutraler Treibstoffe anzukündigen.Die Deutschen treten hier besonders offensiv auf. Auch Matthias Wissmann, der Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA) lässt sich nicht lumpen, wenn er sagt: „Wir haben die Absicht, beim Thema Elektromobilität weltweit die Benchmark zu setzen.“ Er unterfüttert den Anspruch an die Zukunft mit der Aussage, bei der Reduzierung des CO2-Gehalts im Abgas bewegten sich die deutschen Hersteller doppelt so schnell wie die Importmarken. „In sechs von zehn Segmenten stellen wir den CO2-Champion,“ erklärte er und nahm für die deutschen Hersteller in Anspruch, bei der Kraftstoffeffizienz ihrer Modelle im internationalen Vergleich führend zu sein.

Wissmann nennt auch Gründe für diese Entwicklung, wenn er darauf hinweist, dass die deutsche Automobilindustrie im Krisenjahr 2009 die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung nicht gesenkt, sondern um 4,4 Prozent auf 20,9 Milliarden Euro gesteigert habe. „Mehr als die Hälfte dieser Mittel fließt in Umwelttechnologien.“

Elektro in jeder Form beherscht den Salon. Die Zahl der Studien für elektrische Micromobile für den Stadtverkehr von großen und von kleinen Herstellern überrascht trotz der Elektro-Begeisterung, die ja nun schon seit Monaten die Szene beherrscht. Aber auch große Elektroautos fehlen nicht. Und nur wenige hadern dabei nicht mit der Reichweite. Hier sieht auch Wissmann Nachholbedarf. Jetzt will er intensivere Zusammenarbeit von Wiussenschaft und Wirtschaft initiieren, denn „wir wollen ein Stück des Kerns der Batterietechnologie auch in Europa haben“, allen Kooperationen mit Japanern auf dem Feld der Fahrzeugbatterie zum Trotz.

Das fällt der Automobilindustrie nur leider fünf Jahre zu spät ein. Die Lithiumionen-Technologie hat man anderen überlassen und nicht bemerkt, dass sie sich im Laufe der Umweltdiskussion und der Suche nach sozial verträglicher Mobilität zu einer Schlüsseltechnologoie entwickeln würde. Jetzt lobt man die Kreativität der Zulieferer, aber über viele Jahre hat man zuvor die Batterieindustrien über Preisdruck ausgehungert, immer davon überzeugt, dass man die Starterbatterie noch billiger einkaufen können sollte, nicht bedenkend, was danach kam. Zu groß war die Erleichterung, als vor zwei Jahrzehnten der Druck aus USA auf die Hersteller nachließ, funktionsfähige Elektroautos für den amerikanischen Markt anzubieten.

Jetzt holt man Luft für den Spurt. An Ideen, wie man mit Strom ein Auto wirtschaftlich oder sportlich betreibt, fehlt es nicht. Aber am Energiespeicher; denn dem Wasserstoff als Medium für Brennstoffzelle fehlt die Infrastruktur und selbst der Lithiumionen-Batterie die Kapazität, die der Autofahrer in seinem Familienauto in Reichweite umsetzen kann. Aber das Ziel ist erkannt.

Das zeigt Genf sehr deutlich. Die Entwicklung gewinnt Geschwindigkeit, auch wenn allen Beteiligten klar ist, dass der Verbrennungsmotor auch in Jahrzehnten noch die Hauptlast an der Mobilität übernehmen muss. Doch auch in diesem Zusammenhang gibt es Hoffnung. Experten gehen davon aus, dass sowohl beim Diesel als auch beim Benziner noch viel zu holen ist. Von einer um 20 Prozent bis 30 Prozent größeren Effizienz ist die Rede. Aber auch dieses Potential wird mit viel Forschung und Entwicklung zu heben sein.

Vor kleineren Problemen stehen offenbar die Designer. Denn Genf steht voller attraktiver, gewöhnungsbedürftiger und gänzlich unkonventioneller Studien. Früher lief ein Wettstreit zwischen den großen Messestandorten um die Zahl der Studien. Detroit, Genf, Frankfurt Paris wetteiferten um jeden Auftritt einer Studie oder eines Concept Cars. Detroit hat sich aus diesem Wettbewerb – wohl eher der Not gehorchend – verabschiedet. Aber Genf schafft eine neue Bestmarke. Das kann man deuten als Beginn eines Autofrühlings, der in ein oder zwei Jahren in einem neuen Hoch enden kann.

Für den positiven Trend spricht auch die Zahl der in Genf akkreditierten Journalisten. Die Messegesellschaft stöhnt, mehr als 10 000 hätten sich angemeldet, viel mehr als im vergangenen Jahr. Auch die Medien haben offenbar die Schockstarre überwunden. Dieses Jahr gibt Genf Anlass zur Hoffnung.

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