Renaissance des Stufenhecks – Der Knick kommt zurück

Das Stufenheck gilt in der Kompaktklasse als bieder und dröge. Während der Kofferraumkasten in der automobilen Oberliga ein Muss ist, spielt er in Deutschlands wichtigstem Marktsegment fast keine Rolle. Das könnte sich künftig ändern, denn nicht nur bei Audi und Mercedes stehen attraktive Stufenheckmodelle in den Startlöchern.

Spätestens seit in den 70er-Jahren der VW Golf und seine Epigonen auf die Heckklappe setzten, ist die Stufe im Karosserieabschluss hierzulande als piefig und seniorenhaft verschrien. Kompaktklassekäufer wollten sich mit dem praktischen und sportlichen Steil- oder Fließheck vom überholt wirkenden Statusdenken der klassischen Limousinenkäufer abgrenzen. Stufenheckmodelle unterhalb der Mittelklasse verschwanden in der Folge fast vollständig aus dem deutschen Straßenbild. Anders in Süd- und Osteuropa, [foto id=“422423″ size=“small“ position=“left“]wo viele Autofahrer traditionell auf die Vorteile eines fest verschlossenen und nicht einsehbaren Kofferraums schwören. Dabei geht es nicht nur um den besseren Schutz vor Diebstahl, sondern auch um einen erhöhten Geräuschkomfort, da die Hinterachse besser vom Innenraum abgekoppelt ist.

Hierzulande fand die verpönte Fahrzeugform aber erst mit der Neuauflage des VW Jetta Anfang 2011 zu neuem Glanz. Erstmals trat die zuvor als Rucksack-Golf verspottete Limousine optisch wie aus einem Guss auf: Das Heck wirkte nicht mehr wie einfach angeflanscht, sondern wie die logische Verlängerung des Vorderwagens. Dass VW bei seinem Golf-Ableger diesen Gestaltungswillen zeigt, ist kein Zufall. Das in Mexiko gebaute Modell ist vor allem für den amerikanischen Markt wichtig, auf dem die Wolfsburger deutlich wachsen wollen. Bis 2018 soll der Absatz auf 800.000 Fahrzeuge pro Jahr steigen. Allein mit dem klassischen Golf geht das nicht, denn in Amerika sind Steilheckautos absolute Nischenmodelle.

Stufenheck-Strategie

VW setzt vor diesem Hintergrund nicht als einziger auf die Stufenheck-Strategie. Tochter Audi plant ebenfalls einen A3 mit separatem Kofferraum, um endlich in den USA auch unterhalb der Mittelklasse Absatz zu entwickeln. Bei Wettbewerber Mercedes steht aus den gleichen Gründen eine Stufenheckvariante der A-Klasse in den Startlöchern, die sich an den dynamischen Formen des CLS orientiert. Beide Premiummodelle wollen dabei mit eigenständigem und schickem Design punkten, so dass die Limousinen auch in Deutschland wettbewerbsfähig sind und sich preislich und beim Image sogar oberhalb der [foto id=“422424″ size=“small“ position=“right“]Steilheckvarianten platzieren können. Vorexerziert hat das bereits BMW. Die Münchner bieten in den USA ihren 1er ausschließlich als Cabrio und als Coupé mit Stufenheck an. In Deutschland sind beide Varianten die Top-Modelle der Kompaktfamilie.

Experten prophezeien auf allen Märkten bis 2015 ein kräftiges Absatzwachstum für kompakte Stufenheckautos. In den USA wird ein Plus von 26 Prozent erwartet, in China rechnet man mit 40 Prozent. Selbst auf dem Krisenmarkt in Europa könnte das Stufenheck zum Verkaufsmotor werden – bis zu 80 Prozent Absatzsteigerung sind drin.

Auch andere Hersteller reagieren daher. Opel etwa schiebt beim Astra knapp drei Jahre nach Marktstart ebenfalls eine Stufenheckversion nach. Die richtet sich zwar vor allem an die Kundschaft in Süd- und Osteuropa, soll aber auch hier aktiv vermarktet werden – anders als die Vorgänger, die kaum beworben wurden. Nicht zuletzt will man so auch ein Gegengewicht zum Erfolg des Chevrolet Cruze bilden, der bisher die Stufenhecknische im Konzern exklusiv besetzt hat. Einen ähnlichen Plan verfolgen die VW-Töchter Skoda und Seat. Unter dem Namen Rapid beziehungsweise Toledo kommen in den nächsten Monaten zwei Stufenheckmodelle auf den Markt, die sowohl in Osteuropa als auch in Deutschland angeboten werden.

Dass das Steilheck verschwindet, steht indes nicht zu befürchten. Auch wenn die neuen Stufenheckmodelle schicker sind als ihre Vorgänger, werden sie wohl eher eine Ergänzung der Modellpalette sein als ein Ersatz für die Fünftürer. Doch vor allem bei den Premiumherstellern dürfte diese Ergänzung neuen Schwung in die festgefahrene Formensprache bringen.

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