Ford

25 Jahre Ford RS 200 – Kölner Bürgerschreck

Sie sind die schnellsten Überflieger aus der Großserienproduktion, äußerlich eher unauffällige Pistenhaie, die Renn- und Rallyetechnik auf die Straße bringen. Heute zählen Leistungsträger mit Sportabzeichen wie AMG, M, quattro, OPC, R oder RS zum Markenportfolio vieler Automobilkonzerne, vor genau vierzig Jahren aber betrat Ford mit der RS-Division Neuland.

Angeregt von Erfolgen im Rallye-Sport setzte der Escort RS 1600 damals den Anfang für die Sportmarke RS, nachdem bereits zwei Jahre zuvor erste RS-Ausstattungs-Pakete den stockenden Absatz der Biedermänner 15M, 17M und 20M ankurbeln sollten. Mit einem Brandstifter der scheinbar gefährlichsten Sorte feierte die Rallye-Sport-Abteilung dann vor 25 [foto id=“330527″ size=“small“ position=“left“]Jahren einen einzigartigen Höhepunkt: Der spektakuläre Mittelmotor-Supersportwagen RS 200 war für die berühmt-berüchtigte Gruppe B der Rallye-Weltmeisterschaft entwickelt worden und als Straßenfahrzeug der bis dahin schnellste und teuerste europäische Ford aller Zeiten.

Noch bevor der allradangetriebene Technologieträger mit einer Karosserie aus kohlenstoff- und aramidfaserverstärktem Harz seine ersten ganz großen Rallyetriumphe zelebrieren konnte, führte eine Serie tödlicher Unfälle zum vorzeitigen Ende der überschnellen Gruppe B. Dafür wurde die auf 200 Einheiten limitierte Serienversion des RS 200 nun ein begehrter Straßenfeger, der den Weg bereitete für die nur wenig langsameren, aber deutlich preiswerteren und auflagenstärkeren RS-Cosworth-Versionen von Sierra und Escort. Das 40-jährige RS-Jubiläum feiert Ford derzeit mit dem stärksten Focus aller Zeiten. Dagegen soll die bereits in den Startlöchern stehende dritte Focus-Generation vorerst nicht von einem wilden RS, sondern nur von einer zahmen, relativ CO2-armen ST-Motorisierung angeführt werden.

Vielleicht würde eine Testfahrt im einstigen Bürgerschreck RS 200 eine andere Entscheidung der Ford-Manager beschleunigen. Als erste reine Rennmaschine kleidete der vier Meter kurze und ohne Thermikhilfen 1,20 Meter flache Zweisitzer die Gruppe-B-Technik in eine zeitlos elegante Coupéform, die beim italienischen Maßcouturier Ghia geschneidert wurde. Kurze [foto id=“330528″ size=“small“ position=“right“]Überhänge, langer Radstand, breite Spur, 18-Zoll-Leichtmetall-Verbundfelgen, Monocoque-Chassis und ein in die A-Säulen integrierter Überrollkäfig, das alles ergibt einen auch nach 25 Jahren noch aufregenden Cocktail aus Rallye- und Formel-1-Technik. Nur die Frontscheibe und die groß dimensionierten vorderen Türen verraten die Entnahme aus dem Ford-Sierra-Serienregal. Vielleicht sind es gerade die bürgerlichen Türen, die den Einstieg in die flache Flunder überraschend leicht fallen lassen. Brettharte, schmale Schalensitze, eng beieinander stehende Pedale, Renninstrumente und ein feurig rotes Lenkrad bewirken sofort einen Adrenalinschub, der mit dem Zündvorgang des 1,8-Liter-16-Ventil-Turbotriebwerks von Cosworth kräftig nachlegt. Die schon im Stand einsetzende aufregende Soundsymphonie aus Brüllen, Bellen, Bollern und Kreischen, dirigiert von Gaspedalstellung, Drehzahlen und Turboeinsatz, birgt Suchtpotential und weckt Sehnsucht an die Zeit als heute übliche Soundgeneratoren allenfalls Stoff für Science-Fiction-Filme boten.

Hat sich der RS-Pilot erst einmal an die sensible Rennkupplung gewöhnt, bereitet ihm die Bändigung der Bestie weniger Stress als die Zügelung der eigenen Begierde nach immer mehr Tempo sogar auf limitierten Landstraßen. Der RS 200 wird bei kräftigen Gasstößen im Bereich zwischen 4.000 und 7.000/min zum reißenden Wolf, dessen Aggressivität schon wenige Worte [foto id=“330529″ size=“small“ position=“left“]verdeutlichen: 168 kW/230 PS bei nur einer Tonne Gewicht – Turbolader mit Ladeluftkühler – Trockensumpfschmierung – Mittelmotor – Allradantrieb – 240 km/h Vmax – von Null auf Tempo 100 in weniger als fünf Sekunden. Ein kompakter Überflieger, der die Besatzung auch abseits von Rennpisten direkt ins Reich der Sinne führt und zu Spürsinn für Radarfallen und Rücksicht für scheinbar langsame „normale“ Verkehrsteilnehmer. Mit einer kaum spürbaren Federung, die aus dem langsamen Überfahren eines winzigen Schlaglochs die Passage einer Kraterstrecke auf einer Rallye-Sonderprüfung macht. Mit üppig dimensionierten Bremsen, die gefühlt bereits ähnlich fest zupacken wie heutige Keramiksysteme. Mit einem Gefühl der Allmacht durch Allrad, alltagstaugliche Technik und allgegenwärtige Souveränität – beim Sprint zeigt der RS 200 sogar zeitgenössischen Porsche 911 Turbo das extradicke Endrohr. Selbst wenn es nur ins Büro oder zum Bäcker in den Supermarkt geht, glaubt sich der Pilot des Mittelmotor-Coupés auf dem Weg zum nächsten Rallyetriumph. Bis die schlechte Sicht nach hinten und die sensible Rennkupplung das Einparken zur Sonderprüfung und das Verstauen dicker Aktenkoffer und Einkaufstaschen zur Geduldsprobe machen.  

Großserienmodelle mit RS-Signet

Ganz anders bei den Großserienmodellen mit RS-Signet, deren erste Vorboten 1968 lanciert wurden. Fords „Formel RS“ sollte damals mit Sportinstrumenten, Bienenwabengrill inkl. Zusatz-Halogenscheinwerfern, schwarzen Seitenstreifen und optionalen [foto id=“330530″ size=“small“ position=“right“]Schalensitzen den Verkauf der Mittelklassemodelle 15 M, 17 M und 20 M beschleunigen und vor allem den ewigen Rivalen aus Rüsselsheim, den Rekord, auf die Plätze verweisen. Zwei Jahre später setzte der auf einer eigenen Produktionslinie gefertigte Escort RS 1600 dann den Grundstein für die bis heute andauernde Erfolgsgeschichte der Ford Rallye-Sport-Modelle mit bislang drei Marken- und einem Fahrer-WM-Titeln. Derweil sorgten die RS-Straßenmodelle mit immer neuen Formen und Varianten für Furore in der Vmax-Fraktion. Front- und Mittelmotoren als Vier-, Fünf- und Sechzylindertriebwerke mit und ohne Turboaufladung, kombiniert mit Hinterrad-, Vorderrad- und Allradantrieb, eingepackt in flügel- und spoilerbewehrte Fließheck- und Stufenhecklimousinenkarosserien oder in schnelle Coupés: Die Vielfalt der RS-Modelle ist faszinierend.

Vor allem Escort, Capri, Sierra und Focus mutierten so bisweilen zu Höllenhobeln für einen Teufelsritt auf der Kanonenkugel, sofern sie als Basisfahrzeug für Rundstrecken- und Rallyesportler dienten. Weit harmloser waren dagegen die bürgerlichen Escort RS. Gegen die 1975 aufkommende Golf-GTI-Klasse konnte die Kölner Kompaktklasse wenig ausrichten, in den [foto id=“330531″ size=“small“ position=“left“]Verkaufszahlen nie Anschluss finden an den Platzhirsch aus Wolfsburg. Erst mit dem Focus gelang es Ford, wieder einen Bürgerschreck auf die Straße zu schicken, der ein neues Kapitel in der RS-Geschichte aufschlug. Zunächst als auf 4.501 Exemplare limitierte World-Rallye-Car-Hommage von 2002, dann als 204 kW/305 PS starker, gerne gift-grün lackierter Fünfzylinder-Focus von 2009 und zuletzt als 257 kW/350 PS freisetzendes mattschwarzes Monster Focus RS 500. Eine Aufrüstung, die aber mit der dritten Focus-Generation Vergangenheit sein wird. Künftig soll sich der kleine Fiesta in die Siegerlisten der Rallye-WM einschreiben. Den ganz großen Durchbruch zum Volumensportler schafften die RS-Renner zwar nie, dafür schmückten sie die Ford-Pflaume mit sportlichem Image-Lorbeer, der mit dem Ende des Focus zu verwelken droht.

Lesen Sie weiter auf Seite 2: 25 Jahre Ford RS 200 – Kölner Bürgerschreck – Teil II

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Ausgewählte Produktionszahlen:

Ford Escort RS 2000 (1973-1980, zwei Generationen): über 30.000 Einheiten

Ford Escort RS Turbo (1986-1989): 37.024 Einheiten

Ford Focus RS (2002-2003): 4.501 Einheiten

Ford Focus RS 500 (2010): 500 Einheiten, davon 55 Einheiten für Deutschland

Ford Capri RS 2600 (1970-1973): rund 3.500 Einheiten

Ford RS 200 (1984-1987): 200 Einheiten

 
Ausgewählte Motoren:

Ford RS 200 (1984-1987); 1,8-Liter-Vierzylinder-Benziner mit 168 kW/230 PS (Straßenversion) bzw. 279 kW/374 PS (Rallyeversion) Leistung; 2,1-Liter-Vierzylinder-Benziner mit 485 kW/650 PS Leistung (Rallyecrossversion)

Ford Capri RS 2600 (1970-1973), 2,6-Liter-V6-Benziner mit 92 kW/125 PS Leistung

Ford Fiesta RS 1800 (1990-1992), 1,8-Liter-Vierzylinder-Benziner mit 98 kW/133 PS Leistung

Ford Fiesta RS Cosworth (1992-1997), 2,0-Liter-Vierzylinder-Benziner mit 162 kW/220 PS Leistung

Ford Escort RS 1600 (1970-1972); 1,6-Liter-Vierzylinder-Benziner mit 88 kW/120 PS Leistung

Ford Escort RS 2000 (1973-1974), 2,0-Liter-Vierzylinder-Benziner mit 74 kW/100 PS Leistung

Ford Escort RS 2000 (1975-1980), 2,0-Liter-Vierzylinder-Benziner mit 81 kW/110 PS Leistung

Ford Escort RS 1600i (1982-1984), 1,6-Liter-Vierzylinder-Benziner mit 85 kW/115 PS Leistung

Ford Escort RS Turbo (1986-1990), 1,6-Liter-Vierzylinder-Benziner mit 97 kW/132 PS Leistung

Ford Escort RS 2000 (1991), 2,0-Liter-Vierzylinder-Benziner mit 110 kW/150 PS Leistung

Ford Escort RS Cosworth (1992), 2,0-Liter-Vierzylinder-Benziner mit 162 kW/220 PS Leistung

Ford Focus RS (2002-2003), 2,0-Liter-Vierzylinder-Benziner mit 158 kW/215 PS Leistung

Ford Focus RS (2009-2010), 2,5-Liter-Fünfzylinder-Benziner mit 204 kW/305 PS Leistung

Ford Focus RS 500 (2010), 2,5-Liter-Fünfzylinder-Benziner mit 257 kW/350 PS Leistung

Ford Sierra RS Cosworth (1986-1988), 2,0-Liter-Vierzylinder-Benziner mit 150 kW/204 PS Leistung

 
Preisbeispiele:

Ford RS 200 (1986): ab 175.000 Mark

Ford 17 M RS 2000 S (1968): ab 9.180 Mark

Ford Capri RS 2600 (1971): ab 15.800 Mark

Ford Escort RS 2000 (1973): ab 10.400 Mark

Ford Escort RS 2000 (1976): ab 13.790 Mark

Ford Escort RS 1600i (1982): ab 19.560 Mark

Ford Escort RS 1600 Turbo (1984): ab 24.430 Mark

Ford Sierra RS Cosworth (1986): ab 58.400 Mark

Ford Focus RS (2003): ab 30.665 Euro

Ford Focus RS (2009): ab 34.900 Euro

Ford Focus RS (2009): ab 46.050 Euro

 
Modellgeschichte:

1968: Im Frühjahr lanciert Ford die „Formel RS“ als sportliche Ausstattungslinie für die Modelle 15 M, 17 M und 20 M

1969: Im November fährt der zweifache Formel-1-Weltmeister Graham Hill den ersten Escort RS 1600 vom speziell eingerichteten Fließband der Ford Advanced Vehicle Operations (FAVO) in South Ockendon (Großbritannien). Marktstart erst im folgenden Frühjahr

1970: Im März erfolgt die Vorstellung des Capri RS 2600 als Basisfahrzeug für den Tourenwagensport

1972: Ab Oktober ist der Capri 2600 RS mit innenbelüfteten Scheibenbremsen und modifizierter Hinterachsübersetzung lieferbar. Vmax jetzt 210 km/h

1973: Im Juni Vorstellung des neuen Escort-Spitzenmodells RS 2000 und des Capri RS 3100 als neue sportliche Leistungsträger

1975: Die zweite Generation des Escort RS 2000 debütiert im März. Motorsportbasisfahrzeuge sind die neuen Modelle Escort RS 1800 und Escort RS Mexico

1979: Ford wird Rallye-Markenweltmeister

1981: Ari Vatanen wird auf Ford Rallye-Weltmeister

1982: Als Basismodell für den Einsatz in der Motorsport-Gruppe A debütiert auf dem Genfer Salon der Escort RS 1600i

1984: Zum Modelljahr 1985 wird der Escort RS Turbo als Nachfolger des RS 1600i eingeführt. Vorstellung des Mittelmotor-Coupés RS 200

1986: Im Juli feiert der Sierra RS Cosworth Premiere. Homologationsmodell für den Tourenwagensport, gebaut im Werk Genk. In den Folgejahren wird der Sierra RS 500 Seriensieger in der Tourenwagen-WM 1987 und 1988. Weiterentwicklung des Escort RS Turbo

1987: Vorstellung des Sierra RS 500 Cosworth

1990: Einführung des Fiesta RS Turbo als Motorsportfahrzeug

1992: Präsentation des Fiesta RS 1800 als Nachfolger des Fiesta RS Turbo. Nach der Weltpremiere auf der IAA 1991 wird im Juli der Escort RS Cosworth eingeführt. Als Rallyefahrzeug feiert er elf WRC-Siege, darunter zwei in Monte Carlo

1994: Einführung des Escort RS 4×4

1999: Der Focus WRC gewinnt die legendäre Safari-Rallye

2002: Im Oktober geht der Focus RS als limitierte Sammleredition an den Start

2006: Ford wird Rallye-Markenweltmeister

2007: Ford erringt den dritten Titel in der Rallye-WM

2009: Einführung eines neuen Focus RS

2011: In der Rallye-WM will Ford mit dem Fiesta RS WRC an den Start gehen

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