auto.de-Buchbesprechung: Deutschland schafft das Auto ab

Von Ingo Koecher — Eine erste Reaktion auf den provokanten Titel „Deutschland schafft das Auto ab“ dürfte bei vielen sein: „Unsinn, wie soll das bitteschön gehen!?“ Ja und dann geht es los. Der Leser taucht ein in die Gedankenwelt des Autors Wolf Wegener, der über drei Jahrzehnte dem ADAC Brandenburg vorstand. Mit seinem Buch zeichnet er ein Bild von den Anfängen des Automobils, der Enteignung von Autobesitzern durch die Einführung von Umweltzonen, bis hin zur Abgabenschraube, die mit jedem Jahr ein Stück fester gezogen wird.

Zugegeben, anfangs überwog die Skepsis gegenüber dem Buch, zumal die persönliche Verknüpfung des Autors mit der Autoindustrie offen zu Markte getragen wird. Wegener ist bekennender Automobil-Liebhaber. Um dieses Wissen startet das Buch bei den Anfängen der Mobilität vor 125 Jahren.

In rasend schnellen Schritten spannt Wegener einen Bogen von Carl Benz bis zum amerikanischen Präsidenten Barack Obama, dem er im gleichen Atemzug vorwirft, die automobile Weltgeschichte zu verdrehen, in dem der das erste Automobil den Amerikanern, und nicht den Deutschen, zuschreiben würde.

Anschließend geht es schnell weiter zu Nicolaus August Otto und dessen Benzinmotor, über Henry Fords Fließbandproduktion bis hin zu Kosenamen, die Deutsche ihren Autos geben. Auf dem Weg dorthin schildert Wegener noch die Reaktion Winterkorns auf der IAA vergangenen Herbst, als der in einem Hyundai i30 Platz nahm und feststellte, dass da nichts scheppert.

Tarifverhandlungen & Luxus

Spätestens jetzt wird jedem klar, dass man in der automobilen Gegenwart angekommen ist. Und nahezu beiläufig werden die enormen Absatzgewinne deutscher Hersteller mit aktuellen Zahlen des Kraftfahrbundesamtes gewürzt. Dabei versäumt Wegener nicht, die besonders gute Wirtschaftlichkeit in den ostdeutschen Ländern zu betonen. Hier nämlich trügen moderate Tarifabschlüsse zur positiven Bilanz der Autoindustrie bei. Einen wesentlichen Anteil dieser erfolgreichen Tarifverhandlungen schreibt Wegener dabei dem IG-Metall-Chef Bertold Huber zu, der neben seinen gewerkschaftlichen Verpflichtungen stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Audi AG und Aufsichtsratsmitglied bei Porsche ist. Mehr als gestriffen wird der Bereich allerdings nicht. Niedrige Löhne oder gar Leiharbeit sind bei Wegener kein Thema, obgleich er später ausführt, dass Autofahren aufgrund steigender Kosten zum Luxus würde.

Wegeners Sicht der Dinge zielt vielmehr daraufhin ab, zu zeigen, dass die Autoindustrie mit all den Zulieferern und Ausstattern der Motor der deutschen Konjunktur sei: „Deutschland lebt vom Auto.“ Gäbe es keine Autoindustrie, würde Deutschland still stehen: „Armut und Elend wären die Folge.“

An dieser Stelle benennt Wegener die beiden Lager in Deutschland. Zum einen die Autoindustrie und die Autofahrer, zum anderen die Politik, die es Herstellern schwer mache und die Autofahrer an allen denkbaren Stellen einschränke, gängele und schröpfte.

So sieht es aus …

Von nun an folgen eine ganze Reihe verkehrspolitischer Einzelbeispiele deutscher Städte, wie etwa die abnehmende Zahl von Parkplätzen in Innenstädten, die Abschaffung der Grünen Welle oder die Reduzierung von Fahrspuren zugunsten von Bus und Fahrrad. Zudem geht er auf die über Jahre gestiegen Kosten des Individualverkehrs durch zusätzliche Steuern ein. Es gipfelt schließlich in der „kalten Enteignung der Autofahrer“ durch die Einführung von Umweltzonen, deren Nutzen, da schließt sich auto.de uneingeschränkt an, mehr als zu bezweifeln ist. Da für viele Fahrzeugbesitzer das eigene Auto buchstäblich über Nacht zu einem Haufen Schrott wurde, fragt Wegener, wo der Bestandsschutz bei der Einführung der Umweltzonen geblieben sei.

Überhaupt tue die Politik seit Jahrzehnten alles, um das Autofahren so unattraktiv wie möglich zu gestalten. Nicht zuletzt die unaufhörlich steigenden Kosten trügen dazu bei, dass sich schon in wenigen Jahren „eine immer geringere Zahl von Menschen individuelle Mobilität überhaupt noch leisten“ könne. Das wiederum hätte verheerende volkswirtschaftliche Folgen, zitiert Wegener den DAT-Geschäftsführer Volker Prüfer.

Am Ende des Buches widmet er ein ganzes Kapitel der Elektromobilität, deren Zeit jedoch noch lange nicht gekommen sei. Unabhängig ist der Tenor des  Buches, dass Autofahrer heute regelrecht verteufelt würden, sobald sie offen bekennen, Spaß beim Fahren zu haben.

Fazit

Das Buch „Deutschland schafft das Auto ab“ ist eine Bestandsaufnahme des automobilen Individualverkehrs in Deutschland. Es spannt einen Bogen von den Anfängen des Autos bis zur Einführung von Umweltzonen in deutschen Städten. Dabei behält Wolf Wegener besonders die kontinuierlich steigenden Kosten im Auge. Zudem zeigt er auf, wie die politischen Gremien es geschafft hätten, das Auto über die Jahre zu verteufeln und immer mehr ins Abseits zu schieben.

Wege aus der Misere bleibt der Autor dem Leser jedoch schuldig. Somit bleibt der vorliegende Band stecken im Stadium der Bestandsaufnahme. Man selbst erhofft sich indes mehr, gelingt es Wegener doch mit einer Fülle von Beispielen den Leser für sich zu gewinnen. Denn letztlich steht jeder Autofahrer irgendwann vor einer roten Ampel, während Straßenbahn oder Bus an einem vorbeirauschen, oder man fragt sich beim nächsten Tanken, wie hoch die Preise wohl noch steigen werden.

auto.de-Prädikat

„Deutschland schafft das Auto ab“ ist ein kurzweiliges, leicht lesbares Buch, ohne richtungsweisende oder gar prophetische Ansätze. Es spiegelt die automobile Gegenwart wider, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

„Deutschland schafft das Auto ab“ von Wolf Wegener ist im Rosenheimer Verlagshaus erschienen und kostet 16,95 Euro.

+++++Das Interview mit dem Autor im Rahmen der Leipziger Buchmesse finden Sie hier+++++

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