Bodensee-Klassik 2013 – Vorfahrt für die Senioren

Was bewegt Menschen dazu, Stunden auf Klappstühlen am Wegesrand auszuharren, um beim Anblick eines vorbeifahrenden betagten Fahrzeugs in Jubel und La-Ola-Wellen auszubrechen? Man muss nicht in einem anerkannt seltenen Bentley von 1950 oder einem nicht minder beeindruckenden Alfa Romeo Montreal die Weiler im Hinterland der Bodenseeregion passieren.

Auch einstige Allerweltsautos wie der Käfer oder das einstige Postauto 147 von Volkswagen, ein Ford Capri oder das 1976 gebaute Wohnmobil von Hymer lösen bei den Zuschauern ebenso Szenenapplaus aus. Egal, ob in Deutschland, Österreich, der Schweiz oder in Liechtenstein. Bei der „Rallye im Süden für Oldtimer und Youngtimer“ wie sich die Bodensee-[foto id=“465244″ size=“small“ position=“left“]Klassik selbst beschreibt, wurde Automobilgeschichte nicht nur lebendig, sie offenbarte bei der dreitägigen Ausfahrt auch ihr neues demokratisches Gesicht.

Längst ist der Besitz eines historischen Fahrzeugs nicht mehr ausschließlich Ausdruck eines kostspieligen, elitären Hobbys. Ob nun aufwändig restauriertes und gepflegtes Garagengold oder als Einstiegsdroge ein Youngtimer auf dessen Rückbank die Generation Golf Familienurlaube erlebte, aktuell boomt die Nachfrage nach Klassikern so intensiv wie die nach Immobilien. Denn wer jetzt noch zu günstigen Preisen beispielsweise in einen Golf II GTI investiert und geduldig abwartet, darf sich auf eine Rendite von mindestens vier Prozent für das künftige Chromjuwel freuen. So sehen es jedenfalls Experten auf der Techno Classica Essen.

Als clevere Investoren dürften sich die rund 160 Teams, die sich zum Start der zweiten Auflage der Bodensee-Klassik vor dem Festspielhaus in Bregenz aufstellten, vermutlich nicht gefühlt haben. Sie vereint in erster Linie die Leidenschaft für Technik und Design von gestern. Sympathieträger wie der NSU Prinz 4 von 1970, seltene Exemplare wie der offene Sunbeam Alpine von 1954 stehen bei solchen Veranstaltungen gleichberechtigt Seite an Seite. Zu ihren besten Produktionszeiten hätten sich die Lebenswelten der Besitzer eines Wartburg 311, Baujahr 1962, und eines Jaguar E-Type von 1963 wohl kaum [foto id=“465245″ size=“small“ position=“right“]gekreuzt. Eine Klassiker-Rallye ähnelt da einer Champions League bei der alle das Finale erreichen. Schließlich geht es nicht um Speed, sondern um spezielle Prüfungen, die alle bestehen können.

Der Wartburg des polnischen Ehepaares Skalska hatte übrigens die Fahrt von Posen an den Bodensee sogar „auf Achse“ – sprich mit eigener Kraft – bewältigt. Eine noch weitere Anreise hatten die chinesischen Enthusiasten, die von der Volkswagen Classic mit einem 50 kW/68 PS starken VW Käfer von 1973 ausgerüstet worden waren und in bester „Herbie“-Manier fröhlich und unbeschwert über die kurvenreichen Straßen und Alpenpässe der Route flogen.

Sie fanden allerdings ihren Meister in einem kleinen, rotweißen Geschoß. Diese originalgetreue Replica eines 1963er Austin Mini Cooper S wie er von der British Motor Corporation seinerzeit im Rallyesport eingesetzt wurde, trägt nicht umsonst den Schriftzug des großen Fahrers Rauno Aaltonen an der Tür. In einem Über-Kleinstwagen dieser Art gewann der Finne die berüchtigte Rallye Monte Carlo. Mit einem Leergewicht von 635 Kg sowie einem auf 1.085 ccm aufgebohrten Vierzylindermotor sind seine 66 kW/90 PS mehr als reichlich. Wobei sein Hunger nach wohldosierten Gasstößen, das [foto id=“465246″ size=“small“ position=“left“]teilsynchronisierte Viergangschaltgetriebe und die lebhafte Geräuschkulisse im winzigen Renncockpit daran erinnerten, dass auch ein Klassikerausflug nicht immer entspannend gerät.

Die Bewahrer der motorisierten Historie bei BMW, die wie ihre Kollegen von Audi, Land Rover, Mercedes-Benz oder Seat solche Rallyes nutzen, um die eigene Markentradition in Szene zu setzen, hatten mit dem 3.0 CSL noch einen weiteren berühmten Sportler am Start. Bewundernde Besitzer eines Audi Ur-Quattro und eines Porsche 911 S wussten sofort um die Bedeutung von diesem „L“ in der Nomenklatur. Die abgespeckte Version des eleganten 3.0 CS wurde ursprünglich mit den Spezialisten von Alpina zusammen für die Tourensportsaison 1973 entwickelt. Weniger Dämmmaterial und Luxus ergaben bei 1.165 Kilogramm eine Gewichtsersparnis von rund 250 Kg. Ein Leichtes für die kräftigen 132 kW/180 PS (später bis zu 206 PS), die dem Reihensechszylinder des CSL entlockt werden konnten.

Die 41 Jahre, die zwischen dem Baujahr 1972 (damals wurde auch die spätere M GmbH gegründet) und der 2. Bodensee-Klassik liegen, verflogen schon innerhalb weniger Kilometer. Die Abstimmung zwischen Motor und Getriebe, das Fahrwerk, das auch ohne Elektronik Vortriebskräfte meistert (und natürlich der Hofmeister-Knick), tragen die BMW-Gene in sich, die man an heutigen Modellen wiedererkennen kann. Ohne Servolenkung und fünften und sechsten Gang auskommen zu müssen, kräftigt zudem die Oberarme und schärft das Gehör für die Drehzahlen. Aber nicht nur dieses Weniger beschert an drei abwechslungsreichen Rallyetagen ein Mehr an Fahrerlebnis. Ein großes schlankes Lenkrad, schlichte Rundinstrumente eingebettet in eine schnörkellose Holzblende und enge, schalenförmige Sportsitze, die sich ausschließlich in der Längsrichtung [foto id=“465247″ size=“small“ position=“right“]bewegen lassen, erinnern daran, dass aus Leichtbau durchaus zeitlos schönes Design entstehen kann. Neu kostete dieses Coupé, das man heute Premium nennen würde, rund 32.000 D-Mark. Heute müsste ein Enthusiast je nach Zustand für die seltene Ausführung bis zu 70.000 Euro bezahlen.

Eine Klassiker-Rallye bietet eine Auszeit vom Alltag der Mobilität. Der Charme für die Teilnehmer liegt im freiwilligen und genussreichen Verzicht auf die Annehmlichkeiten der modernen Ausstattungslisten. Man darf also schon jetzt gespannt sein, ob für die Youngtimer und Oldtimer von Überübermorgen auch begeisterte Menschen am Straßenrand stehen werden.

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