Fahrbericht Maserati Ghibli Diesel: Edel-Italiener greift deutsche Platzhirsche an

Fahrbericht Maserati Ghibli Diesel: Edel-Italiener greift deutsche Platzhirsche an Bilder

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Mit Vollgas fährt Maserati derzeit aus der Exoten-Nische. Vom neuen Modell Ghibli wurden im ersten Halbjahr 2014 in Deutschland mehr Fahrzeuge neu zugelassen, als die italienische Marke im gesamten vergangenen Jahr hierzulande verkaufen konnte. Ein neuer Stern am Business-Himmel?Einen Vergleich mit der etablierten Konkurrenz hat der Maserati Ghibli schon mal von vornherein für sich entschieden: Den mit dem Maßband. Die Modelle der BMW 5er-Reihe und des Audi A 6 überragt der Italiener um jeweils sechs Zentimeter, die Mercedes E-Klasse sogar um neun. Seine coupéhafte Form könnte ihn auch als Wettbewerber von A7 oder Mercedes CLS identifizieren. Aber reicht das aus, um sich im umkämpften Markt der Business-Limousinen zu behaupten? Der ist schließlich fest in der Hand der deutschen Premium-Marken.

Zum dritten Mal in seiner Geschichte hat Maserati den Namen Ghibli vergeben. Das hinreißend schöne, von Giorgio Giugiaro gestaltete zweitürige Fließheck-Coupé aus dem Jahre 1967 gehörte zweifellos zu den Highlights italienischer Automobilbaukunst, weshalb außer Sammy Davis junior und Peter Sellers sich noch viele andere Prominente einen davon in die Garage stellten. Aber viele gewerbliche Zulassungen sind besser für die Firmenkasse als wenige prominente Besitzer. Deshalb kommt der neue Ghibli auch gleich mit einem Dieselmotor daher, für den sich fast drei Viertel aller deutschen Käufer bisher entschieden.

Zwar ist der jüngste Sproß der Maserati-Familie fast 30 Zentimeter kürzer als der große Bruder Quattroporte, aber kleinwüchsig wirkt er deshalb noch lange nicht. Das knapp über dem Asphalt aufgerissene Haifischmaul des Kühlergrills und die seitlich in die Kotflügel hineingezogenen Scheinwerfergläser lassen das Gesicht angriffslustig erscheinen. Die seitlichen Kiemen künden von großem Luftbedarf und die muskulösen hinteren Kotflügel runden die sportlich-dynamische Linienführung ab. Da die hinteren Türblätter irgendwie um den Radkasten herum geführt werden müssen, lassen sich die rahmenlosen Seitenscheiben dort nicht ganz versenken.

Das Aggregat ist ein alter Bekannter aus der Produktion von VM Motori im italienischen Ferrara. Im Fiat-Chrysler-Konzern findet dieser V6-Motor weite Verbreitung, so zum Beispiel im Jeep Grand Cherokee, wo er allerdings 25 Pferdestärken weniger an die Kurbelwelle wuchtet als im 202 kW / 275 PS leistenden Maserati. Und auch ein bisschen mehr Durchzugskraft bekommen die geneigten Kunden unter dem Dreizack-Logo geliefert, nämlich 600 Newtonmeter, die ab 2000 Umdrehungen zur Verfügung stehen. Ein solcher Bumms schiebt auch schwerere Fuhrwerke trefflich an, der Hersteller nennt 6,3 Sekunden für den Sprint von null auf 100 km/h.

Wie schwer genau der Ghibli ist, sollte man eh nicht so genau wissen wollen. Während der Hersteller auf seiner Website von 1835 Kilogramm spricht, nennt die Kfz-Zulassung 1950 Kilogramm. Eine beruhigende Größe von mehr als einer halben Tonne möglicher Zuladung bleibt in jedem Falle, wobei der 1,10 Meter tiefe Gepäckraum für 500 Liter Stauvolumen gut sein soll. Zwar beträgt der Radstand des Fahrzeugs fast drei Meter, aber wenn man auf einem der Rücksitze Platz nehmen will, fragt man sich, wo die wohl geblieben sind. Richtig üppig ist die Beinfreiheit dort nämlich nicht. Ist der Vordersitz vollständig zurückgefahren, bleiben zwischen Lehne und rückwärtigem Sitzpolster gerade mal 17 Zentimeter Platz, was die Mitreisenden vom Wohlwollen der vorne Sitzenden abhängig macht.

Die wohnliche Atmosphäre des Innenraums ist von schlichter Eleganz und wird bestimmt von edlem Leder, dass in verschiedenen Qualitätsstufen geordert werden kann. Ist es von Poltrona Frau, kostet es wie im Falle des Testwagens 2053 Euro extra. Die ausladenden Sessel der ersten Reihe sind ausgesprochen gemütlich, könnten aber etwas mehr Seitenhalt bieten, denn in einem Maserati möchte man auch gern einmal etwas flinker in die Kurve gehen. Die breiten Polster wölben sich bis an die mittlere Ablage heran, so dass der Griff zum Gurtschloss selten beim ersten Mal klappt. Zur Standard-Ausstattung des Ghibli gehören Bi-Xenon-Scheinwerfer und ein selbstsperrendes Differenzial, die Aluminium-Schaltwippen am Lenkrad werden mit 252 Euro extra berechnet. Auf sie kann man dank der perfekt arbeitenden Acht-Gang-Automatik getrost verzichten, dann sind sie auch beim Griff zum Blinkhebel nicht im Weg.

Die traditionelle ovale Maserati-Uhr gehört zu den unverzichtbaren Accessoires der geschmeidigen Cockpit-Gestaltung. Darunter prangt der der 8,4-Zoll-Monitor, wo mittels Touchscreen alle wichtigen Navigations- und Kommunikations-Funktionen gesteuert werden. Die Klimaautomatik regeln darunter liegende Tipptasten. Für ein Komfortpaket aus Rückfahrkamera, schlüssellosem Zugang und Parksensoren sind 721 Euro extra zu entrichten, die Suche nach den in dieser Klasse üblichen Assistenzsystemen wird leider nicht belohnt.

Der aus poliertem Aluminium gefertigte und 110 Gramm schwere Schlüssel kann in der Hosentasche bleiben, denn gestartet wird mittels Druckknopf, der auf der linken Seite neben der Lenksäule sitzt. Marken mit sportlichen Traditionen – so wie zum Beispiel Porsche oder Bentley – haben immer darauf gepocht, dass das Starten von Rennwagen schneller ablaufe, wenn das Zündschloss links angebracht ist. Inwieweit die Platzierung des Zündschlosses ausschlaggebend für den Sieg Alfieri Maseratis bei der Tara Florio 1926 war, ist jedoch nicht überliefert.

Die etwas burschikose Laufkultur des knorrigen V6-Aggregats wird durch Soundmodulatoren in ein kräftig-bassiges Auspuffgeräusch orchestriert. Kraftvoller Klang gehört schließlich zu den Kernwerten einer sportlichen Marke. Damit Akustik und Optik in Einklang sind, hat Maserati dem Ghibli vier Auspuffendrohe spendiert. Ein Druck auf die Sporttaste neben dem Ganghebel steigert nicht nur die in den einzelnen Fahrstufen erreichbaren Drehzahlen, sondern auch die Frequenz der begleitenden Geräuschkulisse.

Energisch stürmt der Viertürer auf Gasbefehl noch vorn, so unmittelbar wünschte man sich auch die Reaktion auf Lenkbefehle. Dass der Wagen die versprochene Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h tatsächlich erreicht, steht außer Frage, denn wer lange genug auf dem Gas bleibt, sieht die Tachonadel bei 265 km/h. Federungs- und Abrollkomfort sind Oberklasse-gemäß, nur Querrillen werden gern an die Insassen weiter gemeldet. Auf Kopfsteinpflaster muss man damit rechnen, dass Knistern und Knirschen im Cockpitbereich den Unwillen des Edel-Italieners über diese Zumutung zum Ausdruck bringen. Der branchenübliche Aufschlag zum Verbrauchswert aus dem Prospekt betrug bei dieser Testfahrt 1,8 Liter.

Fazit: Dem Maserati Ghibli würde Unrecht widerfahren, sähe man ihn nicht als ernst zu nehmenden Mitspieler auf dem Feld der gehobenen Fortbewegung. Der Newcomer bietet in vielen Bereichen durchaus das Niveau der arrivierten Premium-Marken, wenngleich auch Wünsche offen bleiben. Seine selbstbewusste Preisgestaltung ist der Tatsache geschuldet, dass bei ihm etwas serienmäßig eingebaut ist, was man auf den Sonderausstattungslisten anderer Hersteller nicht findet: Exklusivität.

Daten Maserati Ghibli Diesel

Länge x Breite x Höhe (m): 4,97 x 1,95 x 1,46Radstand (m): 2,99 Motor: V6-Turbodiesel, 2987 ccmLeistung:202 kW / 275 PS bei 5500 – 6200 U/minDrehmoment: 600 Nm bei 2000 U/minHöchstgeschwindigkeit: 250 km/h Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 6,3 Sek. Verbrauch Herstellerangabe / Test: 5,9 / 7,7 L/100 kmEffizienzklasse: BCO2-Emissionen: 129 g/km Leergewicht / Zuladung: 1950 kg / 500 kg Kofferraumvolumen: 500 LiterReifen: 235 / 50 ZR 18Grundpreis: 65 380 EuroTestwagenpreis: 70 651 Euro

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