Stoßseufzer eines mitleidenden Naturwissenschaftlers

Leserbriefe veröffentlicht der Auto-Reporter in der Regel nicht. Aber der folgende Text greift so weit über dass Thema des angesprochenen Kommentars „Shareholder Value statt Zukunft“ vom 30. Oktober 2008 hinaus, das sich das Lesen wahrlich lohnt. Jedenfalls gehört der Text nicht in den Papierkorb. Der Stoßseufzer zur Klimaproblematik stammt von Dr. Wolfgang Lincke, der unter anderem die Entwicklung des Volkswagen Golf II und III sowie des Passat 3 und des Polo 2 verantwortete.

Recht haben Sie mit Ihrer Kritik an den unsinnigen Statements von Umweltaktivisten und deren – bis nach Brüssel reichenden – oft völlig unsinnigen Behauptungen über eine deutsche Automobilindustrie, die angeblich die Zukunftsentwicklung verschlafen hätte. Wenn jemand geschlafen hat, dann waren es auf jeden Fall die Automobilhersteller der USA. Und Sie haben auch durchaus recht, wenn Sie feststellen, dass die heute formulierten, überzogenen Forderungen an den CO2-Ausstoß das Entwicklungsvermögen der deutschen Automobilindustrie wohl beträchtlich übersteigt, so groß es auch im Vergleich zu anderen industriellen und nicht-industriellen Aufwendungen zum Umweltschutz auch sein mag.

Doch ich gehe in meiner Meinung noch ein Stück über Ihre Feststellungen hinaus und stelle vier Fragen, von denen ich allerdings einleitend gleich sagen muss, dass sie heute allenthalben a priori als „unzüchtig“ angesehen werden.

Bedeutet CO2-Verringerung eigentlich eine Maßnahme gegen den Klimawandel? Jeder Betriebswirt, Journalist, Politiker usw. weiß heute natürlich, dass dem so ist. Er stützt sich auf die Aussagen des in Deutschland „Weltklimarat“ genannten IPCC, dessen Thesen allerdings nur von einem Drittel der Klimaforscher voll mitgetragen werden. Ein weiteres Drittel lehnt diese Theorie (und es ist allen Beteuerungen zum Trotz nur eine Theorie) strikt ab und ein weiteres Drittel weiß nicht so recht.

In Deutschland hat das Sagen und das Ohr der Kanzlerin das Potsdamer Institut, das seinem Namen nach eigentlich nicht zum „Klima“, sondern zu den „Klimafolgen“ forscht. Selbst wenn die CO2-Hypothese zuträfe, so ist es wissenschaftliche Scharlatanerie, auch noch quantitative Aussagen der Art zu machen, dass eine Reduktion des CO2-Austoßes um 50 Prozent bis Mitte des Jahrhunderts den Temperaturanstieg auf unter 5 Grad Celsius begrenzt.

Das mögen Volkswirte, Juristen und meinethalben auch viele Journalisten glauben und überall verbreiten. Wer sich je mit ausgedehnten Simulationen befasst hat, kann über solche Verdummungsaktionen nur den Kopf schütteln. Den Beweis für meine Ansicht liefert das Entsetzen der „Klimaexperten“ darüber, dass nun das Eis an den Polen noch schneller schmilzt als sie berechnet haben. Das wird zwar als Katastrophenmeldung gesendet, in Wirklichkeit zeigt es nur die katastrophale Schwäche der derzeitigen Vorhersagemodelle wenn auch diesmal im umgekehrten Sinn.

Wenn CO2 den Klimawandel maßgeblich beeinflusst, sind dann die heute diskutierten Maßnahmen eine schlagkräftige Waffe? Das sind sie natürlich nicht. Stattdessen müssten dann die Emissionen in China, Indien, USA usw. mit Macht auf einen verschwindenden Bruchteil reduziert werden. Das kostet natürlich sehr viel Geld und Zeit, und diese Beträge müsste zu einem Großteil die westliche Welt – die ja darauf drängt – mit dem Geld ihrer Steuerzahler finanzieren.

Die heute diskutierten Maßnahmen, einschließlich des Verbots von normalen Glühlampen, erinnern an die bekannten Sparmaßahmen von in Finanznot geratenen Unternehmen, bei denen zuerst das Brief- und das Toilettenpapier rationiert werden. Auch hat noch niemand geschrieben (dies besonders ins Stammbuch von grün angehauchten Gutmenschen), dass der Hunger in der Welt auch nur mit Energieeinsatz bekämpft werden kann, dass heute in bitterer Armut lebende Menschen auch – wie wir – Wärme oder Kühlung beanspruchen dürfen.

Wer vor diesem Hintergrund den Weiterlauf von Kernreaktoren ablehnt, ist wirklich blauäugig. Das alles mit Wind und Sonne stemmen zu können, ist Träumerei. Und das Verbrennen von Pflanzen erzeugt eben auch CO2 – wie im Übrigen auch ein Regenwald, dessen Laub schließlich auch zu CO2 vermodert.

Hinzu kommt noch eine Problematik, die in allem Klimaaktionismus überhaupt nicht angesprochen wird: Was machen wir, wenn es zwar einen unaufhaltsamen Klimawandel gibt, CO2 aber doch nicht die Ursache ist? Unmöglich ist das wahrhaftig nicht. Wir müssten dann Dämme bauen, Menschen umsiedeln, vielleicht Städte verlegen. Das Geld dafür haben wir aber bereits für Energiesparlampen verschleudert. Auch hier müsste das vielbeschworenen Prinzip der Nachhaltigkeit beachtet werden. Kurz: Wir brauchen einen Plan B.

Welche Maßnahmen helfen eigentlich beim Auto? Hier ist der oben mehrfach zitierten Laientruppe die Antwort sofort klar: Gasantrieb, Biokraftstoff, Hybrid, Elektroantrieb und Wasserstoff. Sehen wir einmal von den Kosten ab, die noch bei keiner zukunftsträchtigen Lösung ein wirkliches Hindernis darstellten, so gibt es dennoch einige kritische Anmerkungen.

Vergessen wir Bio- und Gasantrieb, denn sie sind nicht wirklich CO2-Minderer und betrachten wir die anderen Lösungen. Ein Vollhybrid verbraucht außerhalb reinen Stadtverkehrs mehr Kraftstoff als ein vergleichbarer Diesel, ein Teilhybrid ist ein verkapptes Elektromobil und für die gilt, dass das CO2-Problem nur vom Fahrzeug ins Kraftwerk verlagert wird. Ist das Batterieproblem nachhaltig gelöst und stehen genügend Kraftwerke zur Verfügung, dann kann das Elektrofahrzeug das Automobil der Zukunft werden.

Schwieriger wird’s beim Wasserstoffantrieb, dessen Bewertung leider immer wieder auf den Problemkreis „Brennstoffzelle“ verengt wird. Nicht beschrieben wird die Tatsache, dass Wasserstoff beim Transport, in der Tankstelle, aber auch im Fahrzeug unter Energieaufwand unter Druck oder niedriger Temperatur flüssig gehalten werden muss. Eine Wasserstofftechnologie kann sich nur eine Welt leisten, der Energie in überreichem Maß zur Verfügung steht. Vielleicht haben wir eines Tages Fusionskraftwerke. Dann wird die verfügbare Technologie entscheiden, ob wir mit Elektroantrieb oder Wasserstoff unsere Automobile antreiben. Mit Kohlenwasserstoffen dann bestimmt nicht mehr.

Fazit: Ich würde der Automobilindustrie kein Geld für die Bewältigung von Aufgaben zukommen lassen, die zu ihrem ureigensten Aufgabenbereich gehören. Ich würde sie aber auch von überzogenen Forderungen befreien, die noch nicht einmal dann einen ins Gewicht fallenden Klimaeinfluss hätten, wenn CO2 wirklich der Klimasünder wäre. Der langfristig zu erwartende Kostenanstieg bei klassischen Treibstoffen und ihren Derivaten wird sowieso den Markt und die Entwicklungstendenzen beeinflussen.

Lieber Herr Schwerdtmann! Das musste ich mir einmal von der Seele schreiben, und Ihr Kommentar bot dafür einen optimalen Ansatzpunkt. Wenn Sie mein Elaborat gelesen haben, werfen Sie es bitte in den Papierkorb. Es passt nicht im geringsten in die Landschaft, die in seltener Einmütigkeit FAZ, Zeit, Spiegel etc. und sogar die VDI-Nachrichten darstellen. Und außerdem ist es viel zu lang.

Mit den besten Grüßen
Ihr
Wolfgang Lincke

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