Elektrofahrzeuge – noch immer Zukunftsmusik? Eine Bestandsaufnahme mit Ausblick

Der Plan ist überaus kühn: Nach dem Willen der Politik sollen bis 2020 in Deutschland eine Million Elektroautos unterwegs sein. So jedenfalls sieht es der „Nationale Entwicklungsplan Elektromobilität“ vor, der vor rund einem Jahr verabschiedet wurde. Doch zur Umsetzung des Vorhabens fehlt es derzeit immer noch an allen Ecken und Enden. So ist eine Infrastruktur zum Betrieb von Elektrofahrzeugen ebenso wenig vorhanden wie ein entsprechendes Angebot an Autos selbst.

Großserientauglichkeit

Auf Automessen zeigen die Hersteller zwar in jüngster Zeit vermehrt ihr Engagement in die Stromer, doch von einer Großserienreife kann in den meisten Fällen noch nicht die Rede sein. Lediglich in acht ausgewählten Modellregionen und mehr als 190 Einzelprojekten haben handverlesene „Kunden“ in Deutschland die Möglichkeit, [foto id=“300878″ size=“small“ position=“right“][foto id=“300879″ size=“small“ position=“right“]Mobilität mit Strom zu testen. Dafür stehen rund 3.000 Elektroautos zur Verfügung. Wirklich kaufen kann Otto Normalverbraucher bislang nur Fahrzeuge von Kleinserienherstellern wie den rund 90.000 Euro teuren US-Sportwagen Tesla Roadster, den auf dem Fiat 500 basierenden und fast 50.000 Euro kostenden Karabag 500 oder so abenteuerliche Gefährte wie den einem Kabinenroller ähnlichen City-EL aus dem unterfränkischen Aub, der mit seinen 10.000 Euro auch alles andere als ein Schnäppchen ist.

Start noch 2010

Der Startschuss für die „richtigen“ Stromer der Großserienhersteller soll noch in diesem Jahr erfolgen. Als Erster dürfte der kleine Mitsubishi mit dem etwas anrüchigen Namen i-MiEV (gesprochen: „Ei-Mief“) die Linie überqueren. Der knapp 3,40 Meter lange Viersitzer besitzt einen permanenten Magnet-Synchronantrieb, der 64 PS Leistung an die Hinterachse schickt. Erste Fahreindrücke sammelte auto.de mit einem noch aus der Vorserie stammenden Prototypen bereits vor zehn Monaten. Nach Mitsubishi-Berechnungen kosten 100 Kilometer mit dem Winzling bei der Nutzung von konventionellem Strom ungefähr 3,30 Euro, bei der Verwendung von „Kraftstoff“ aus einer Anlage mit erneuerbarer Energie sogar nur 1,38 Euro. Als der i-MiEV im letzten Jahr auf dem japanischen Markt erschien, kostete er 4.599 Millionen Yen (umgerechnet etwa 34.000 Euro). Allerdings schoss in Fernost Vater Staat eine gehörige Portion an Subventionen hinzu.

Zeitgleich mit dem Fernost-Zwerg will Mercedes eine Elektroversion [foto id=“300880″ size=“small“ position=“left“]des als Kastenwagen und als Van mit bis zu neun Sitzplätzen erhältlichen Transporters Vito anbieten. Ebenfalls im Oktober ist eine Kleinserie von 500 Fahrzeugen der A-Klasse mit Elektroantrieb geplant. Noch vor dem Jahreswechsel stehen die weitgehend mit dem Mitsubishi i-MiEV baugleichen Brüder Citroën C Zero und Peugeot iOn in den Startlöchern.

Stromer-Jahr 2011

Neben einigen Kleinserienherstellern wollen mehrere der etablierten Marken im nächsten Jahr auf dem Elektrosektor tätig werden. Der Ford Transit EV ist da ebenso angekündigt wie der Nissan Leaf, der Ende 2011 mit 109 PS Leistung unter der Haube antreten soll. Von Renault sind mit den Z. E.-Modellen von Kangoo, Fluence und Twizy gleich mehrere Fahrzeuge im Gespräch.

In die Schublade der Elektroautos wird auch der Opel Ampera gesteckt, der Ende nächsten Jahres serienreif [foto id=“300881″ size=“small“ position=“right“]sein soll und baugleich mit dem Chevrolet Volt ist. Der 150 PS starke Stromer verspricht eine Beschleunigung von Null bis Tempo 100 in neun Sekunden und eine Spitzengeschwindigkeit von 161 Stundenkilometern. Allerdings reicht der Stromvorrat nur vergleichsweise geringe 60 Kilometer, ehe der Ampera für mindestens drei Stunden an die Steckdose muss. Immerhin hat der 4,44 Meter lange Opel einen herkömmlichen Benzinmotor als Reichweitenverlängerer mit an Bord. Dieses Aggregat, bei dem es sich um einen 70 PS starken 1,4-Liter-Benziner aus dem Corsa handelt, geht automatisch in Betrieb, sobald die Batteriekapazität aufgebraucht ist. Damit kann der auf der technischen Plattform des Astra basierende Ampera dann noch weitere 440 Kilometer weit fahren.

Weiter auf Seite 2: Video – Opel Ampera; Die ferne Zukunft; Grundprobleme; Überlegungen; Fazit

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Video: Opel Ampera

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Die fernere Zukunft

Auch nach 2011 werden neue Elektroautos die Auswahl an Stromern vergrößern. Ford Focus EV, Toyota FT EVII oder Smart fortwo electric drive werden als Kandidaten für 2012 genannt. Audi hat den E-Tron auf Basis des Sportwagens R8 in Planung. Volkswagen hat für 2013 sein Elektro-Trio Golf blue-e-motion, Jetta blue-e-motion und Up blue-e-motion angekündigt. Aus dem Hause BMW soll spätestens 2015 ein Mini E auf die Straßen rollen, dessen 204 PS starker Elektromotor für den Kleinwagen 152 km/h Spitze verspricht. Die Reichweite von 250 [foto id=“300882″ size=“small“ position=“right“]Kilometern liegt nach bisherigen Informationen deutlich über dem bisherigen Durchschnitt.

Bis die Zukunft allerdings Gegenwart wird, dürften sich noch so manche Planungen über den Haufen geworfen werden. Derzeit sonnen sich eher die Politiker im Rampenlicht wie Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer mit seinem Elektro-Dienstfahrzeug Smart (ob er es wirklich selbst nutzt, darf allerdings bezweifelt werden), Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer, der zehn Tage den Smart testen durfte, oder Spaniens Industrieminister Miguel Sebastián, der ein paar publicity-wirksame Runden mit dem VW Golf blue-e-motion drehte.

Grundprobleme

„Wer glaubt, er könne im nächsten Jahrzehnt von seinem fünfsitzigen Mittelklassewagen am Abend ein Kabel in die Steckdose stecken und am nächsten Morgen mit dem kraftstrotzenden E-Mobil bei 140 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit 500 Kilometer bis zum nächsten Tankstopp fahren, der erliegt dem Glauben an eine Utopie.“ Dieser Satz, anlässlich eines Symposiums zum Thema „Das Elektro-Auto – Utopie oder Chance?“ bereits 1971 niedergeschrieben, zeigt deutlich die Problematik dieser Antriebstechnologie. Schon damals hatte Volkswagen 40 Golf CityStromer zum Subventionspreis von 70.000 Mark an die Hannover-Braunschweigische Stromversorgungsgesellschaft verkauft. Die Blei-Gel-Batterien lieferten dem 25 PS starken Elektromotor die [foto id=“300883″ size=“small“ position=“left“]Energie für maximal 100 km/h Spitze und 56 Kilometer Reichweite im Stadtzyklus.

Die Kapazität der Batterien, inzwischen längst moderne Lithium-Ionen-Energiespeicher, ist nach wie vor eines der Hauptprobleme bei Elektrofahrzeugen. Denn die von den Herstellern ermittelten Reichweiten orientieren sich in aller Regel an optimalen Einsatzbedingungen. Wenn der Stromer aber mit „Vollgas“ über die Straßen gehetzt wird, sinkt die Reichweite ebenso rapide wie beim zusätzlichen Einsatz von üblichen Verbrauchern wie Beleuchtung oder Klimaanlage. In der derzeitigen Konstellation dürfte es jedenfalls Utopie bleiben, mit einem Elektroauto zum Wochenende weiter entfernt wohnende Freunde zu besuchen oder gar elektrisch in den Urlaub zu fahren. Somit wird zumindest vorerst das bevorzugte Revier dieser Art von Fahrzeugen der innerstädtische und stadtnahe Bereich bleiben.

Überlegungen

Zahlreiche Szenarien werden derzeit für den Aufbau einer brauchbaren Infrastruktur durchgespielt. Schließlich müssen die Stromer recht häufig wieder aufgeladen werden, was wiederum Zeit in Anspruch nimmt. Mal kurz an die Zapfsäule fahren und wie bei Benzin oder Diesel in wenigen Minuten den Vorrat wieder auffüllen, funktioniert beim Elektroauto nicht. Dafür bedarf es spezieller Stationen, denn nicht jeder kann sich sein Stromkabel aus der Wohnung zum unter der Laterne parkenden Wagen legen. Deshalb sind auch Überlegungen mit einem Batterietausch „voll gegen leer“ an extra eingerichteten Stromtankstellen aufgetaucht. Das aber setzt genormte Einheiten voraus. Erst jüngst haben sich die Hersteller zumindest beim Stecker auf ein allgemein gültiges Modell einigen können.

Eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung der Elektroautos wird der Kaufpreis einnehmen. Das aus Indien stammende E-Mobil Reva i bietet wenig Komfort, kostet aber in Deutschland 17.000 Euro. Ein Winzling wie der italienische E-Flitzer Tazzari Zero schlägt schon in der Basisversion mit rund 24.000 Euro zu Buche. Das Problem sind dabei in erster Linie die teuren Batterien, für die bereits bei einem Kompaktwagen zwischen 10.000 und [foto id=“300884″ size=“small“ position=“right“]15.000 Euro anzusetzen sind. Zwar werden die Energiespeicher bei der Herstellung von größeren Stückzahlen billiger, doch dürfte der Preisunterschied nach Einschätzung von Experten auch dann noch bei immerhin happigen 8.000 Euro liegen. Einige Länder stellen deshalb entsprechende Fördermittel bereit. 22 Milliarden Euro stecken die USA in den elektrischen Antrieb, immerhin noch zwei und drei Milliarden sind es in Frankreich und in China. Für die Produktion und Infrastruktur des E-Antriebs sind in Deutschland vergleichsweise mickrige 615 Millionen Euro bislang vorgesehen. Ob das ausreicht, um das kühne Ziel der Politik mit einer Million Stromern bis 2020 zu erreichen, wird die Zukunft zeigen.

Fazit

Elektroautos sind im Grunde genommen ein alter Hut. Bereits 1899 fuhr der Belgier Camille Jenatzky in einem mehr als 100 km/h schnellen Wagen mit Elektroantrieb. Doch schon damals verhinderten viel zu geringe Reichweiten einen Siegeszug der Stromer. Dieses Problem ist auch heute noch weitgehend ungelöst, die meisten [foto id=“300885″ size=“small“ position=“left“]Fahrzeuge mit Batterieantrieb kommen nur 150 Kilometer weit. Das ist zwar ausreichend für die durchschnittliche Fahrleistung am Tag, doch richtige Alltagstauglichkeit sieht anders aus. Die Perspektiven sehen eigentlich gar nicht einmal so düster aus, denn laut einer vom Bundesverkehrsministerium durchgeführten Umfrage zeigten sich 45 Prozent der Befragten gegenüber der E-Mobilität aufgeschlossen und „würden damit einen Beitrag zum Umweltschutz leisten wollen“. Wie es dann aber tatsächlich aussieht, wenn es „Spitz auf Knopf“ kommt und die Fakten samt Kosten auf dem Tisch liegen, steht auf einem ganz anderen Blatt. Dann werden sich wohl in erster Linie gut Betuchte und „Überzeugungstäter“ einen Stromer in die heimische Garage stellen. Wenn dann aber noch der Strom aus fossilen Energien gewonnen wird, verpufft der umweltrelevante Aspekt dieser Art der Mobilität endgültig.

 

 

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Wolfgang Fleu

Juni 4, 2010 um 5:45 am Uhr

Liest man diesen Artikel hier über die Zukunftsperspektiven der Elektroautos, weiß man wirklich nicht so recht, ob der Verfasser nun für oder gegen die Elektromobilität ist. Alle paar Zeilen ändert er seine Meinung. Soweit meine Kritik am Stil. Die pessimistischen Aussagen über die Möglichkeiten der nächsten E-Mobil Generationen sind sehr schlecht recherchiert. Obwohl die Entwickler neuartiger Batteriesysteme nicht gerade mit Informationen protzen, dürfte trotzdem hinreichend bekannt sein, was die nächsten Akkusysteme leisten und dass sie den Elektroantrieb revolutionieren werden. Lithium-Ionen Akkus sind wirklich nicht mehr der letzte Schrei. Und dann verstehe ich auch nicht die generelle Ungeduld in sämtlichen Berichten über die zukünftige Elektromobilität. Dem Verbrennungsmotor hat man 100 Jahre Entwicklungszeit zugebilligt. Dem Wasserstoffauto mit seiner Brennstoffzelle immerhin 25 Jahre. Weshalb muss der E-Antrieb nun eine Hals-über-Kopf-Aktion werden? Und was das Preisniveau angeht, erinnere ich mich noch genau, dass alle die Leute, welche heute über die noch hohen Preise der Elektrofahrzeuge die Nase rümpfen, vor zehn Jahren für ihren 500 Euro-PC immerhin noch gut 8000 DM ausgegeben haben. Eines ist jedenfalls nun mal nicht möglich: ausgereifte Produkte in Rekordzeit zum Nulltarif. ….. Wolli

Gast auto.de

Juni 1, 2010 um 8:40 pm Uhr

Mir wird schlecht wenn ich die Artikel über die E-Fahrzeuge lese.
Es wird doch nur versucht den vorherschenden Fahzeuggrößenwahn weiterzupflegen.
Dipl. Ing (FH) Fahreugbau

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