Sicherheitssysteme in Motorrädern – Noch nicht auf Pkw-Niveau

Sicherheitssystem wie ABS oder ESP sind in unseren Fahrzeugen heute eine Selbstverständlichkeit. Schon bei Kleinstwagen gehen die Käufer heute davon aus, dass Airbags und ABS, im besten Fall auch ein elektronischer Schleuderschutz an Bord sind.

Bei Motorrädern ist das anders.

Zwar gibt es auch für viele Zweiräder elektronische Hilfen, doch ist die Liste selten lang, und immer noch gibt es Hersteller, die für einige Modelle ABS gar nicht oder nur gegen Aufpreis (zwischen 500 und 1.000 Euro) anbieten. Dabei könnte der Blockierverhinderer die Zahl der Motorradunfälle deutlich verringern: Laut ADAC hätten 21 Prozent aller Motorradunfälle vermieden werden können, wären sie mit der Bremshilfe ausgestattet gewesen. Rechnet man nur die sogenannten Alleinunfälle, also solche, in denen nur das Motorrad und kein anderer Verkehrsteilnehmer involviert war, steigt die Zahl sogar auf 45 Prozent.

Dabei ist ABS für Motorräder nichts Neues.

Schon 1988 wurde das erste Anti-Blockier-System in den K-Modellen von BMW für einen Aufpreis von 1.980 D-Mark eingebaut. Seitdem wurde es in wesentlichen Teilen weiterentwickelt. Heute reagiert es so sensibel, dass es sogar in Supersportlern auch auf der Rennstrecke eingesetzt werden kann. Im Alltagsbetrieb hilft es vor allem, bei Bremsungen im Geradeauslauf die Spurstabilität des Motorrades zu gewährleisten und ein Blockieren des Vorderrades zu verhindern, was fast immer einen Sturz nach sich zieht. Wie beim Auto stellt ein Sensor an beiden Rädern die Blockade des Rades fest und lockert augenblicklich die Bremse, um das gefährliche Rutschen zu verhindern. Ein Vorgang, der sich je nach Qualität des Systems bis zu 15 Mal je Sekunde wiederholt.

Wichtig ist dies vor allem bei Nässe und wechselnden Fahrbahnbeschaffenheiten, denn selbst der geübteste Fahrer kann das Rad bei maximalem Bremsvorgang unter diesen Umständen nicht vor der Blockade bewahren und verschenkt somit viel Bremsweg. Auf trockenem Untergrund schaffen es Profis allerdings, ein Motorrad ohne ABS schneller zum Stehen zu bringen als mit ABS, da das ständige Lösen der Bremse Winzigkeiten an Bremsweg kostet. Ein weiterer Sensor im ABS-Regelsystem sorgt bei den für Rennstreckenfahrten ausgelegten Systemen dafür, dass ein Überschlag vermieden wird. Denn Rennmaschinen mit kurzem Radstand und hohem Schwerpunkt würden sich ohne eine solche Regelfunktion etwa beim Bremsen über Bodenwellen oder bei Reibwertsprüngen ansatzlos überschlagen. In der Entwicklung ist indes eine neue Generation, die auch bei Kurvenfahrten für mehr Sicherheit und weniger Stürze sorgen soll.

Schon hier wird deutlich: Ein Rundum-Sorglos-Paket ist ABS für den Fahrer nicht. Er muss den Umgang mit ihm üben, das Pulsieren von Bremshebel und -pedal kennenlernen und wissen, wann es ihn nutzen kann – und wann eben nicht. Bei einer Bergabfahrt auf nasser Straße zum Beispiel kann sich der Bremsweg mit ABS sogar wesentlich verlängern.

Mittlerweile nimmt denn auch das Angebot an Motorrädern und Motorrollern zu, die optional oder serienmäßig mit ABS ausgestattet sind. Kaum ein Hersteller brachte in den letzten ein, zwei Jahren ein neues Modell ohne ABS auf den Markt, und BMW warb jüngst damit, dass man alle ab August startenden Motorräder des neuen Modelljahres serienmäßig mit ABS ausrüsten werde. Damit reagiert der bayerische Hersteller auf die zu erwartende EU-Vorschrift, die das System von 2016 an sowieso für alle Motorräder über 50 Kubikzentimeter Hubraum vorschreibt.

ABS ist also das zentrale Thema, wenn es bei Motorrädern um Sicherheitssysteme geht. Aber es ist nicht das einzige. Honda beispielsweise gibt einigen seiner Modelle seit Jahren eine andere Art von Bremshilfe mit, das sogenannte Combined Breaking System: Dabei wird beim Betätigen der Vorderradbremse automatisch das Hinterrad leicht mit abgebremst und umgekehrt. Das erhöht ebenfalls die Fahrstabilität. In den neuesten Modellen wird es kombiniert mit dem regulären ABS-System und heißt dann Combined ABS. Auch Honda bietet ABS übrigens für alle Modelle an.

Waren beim ABS große Tourenmodelle wie die erwähnte BMW-K-Reihe oder auch die FJ-1200-Serie von Yamaha noch die Technologietreiber, so sind es bei anderen elektronischen Helfern die Supersportler in Kombination mit der um sich greifenden Elektronisierung des Motorrades. So braucht es – vereinfacht gesprochen – lediglich einen weiteren Sensor in Verbindung mit der Rechnereinheit an Bord, um weitere Features einzuführen. Etwa die Traktionskontrolle. Sie sorgt wie auch beim Pkw dafür, dass das Antriebsrad beim Gasgeben nicht die Bodenhaftung verliert, durchdreht und schlimmstenfalls für einen Sturz sorgt.

Das kann bei nassen Straßen beim Anfahren und Beschleunigen aus Kurven nützlich sein, aber auch beim Racen auf der Rennstrecke, wo ja nach jeder Kurve maximaler Vortrieb benötigt wird. Oft ist die Traktionskontrolle in ihrem Ansprechverhalten einstellbar oder auch mit verschiedenen Fahrmodi kombiniert. Vor allem aber verfügt sie meist über einen Schräglagensensor, der dafür sorgt, dass bei Schräglage schneller eingegriffen werden kann. All jene, die sich nicht auf Rennstrecken bewegen, freuen sich vor allem bei Regen darüber.

Zwei weniger wichtige Features, die ebenfalls auf elektronischer Basis fußen, sind die Wheelie-Kontrolle und die Schlupfregelung. Über elektronische Eingriffe ins Motordrehmoment wird jeweils verhindert, dass das Vorderrad (zu weit) abhebt beziehungsweise das Hinterrad beim Beschleunigen durchdreht.

Aber es gibt jenseits aller Maßnahmen am Bike eine Entwicklung, die die Sicherheit beim Motorradfahren beziehungsweise bei Unfällen verbessern dürfte: Die Hersteller Dainese und Alpinestars haben nach jahrelanger Forschung Airbag-Kleidung entwickelt, die zunächst in der Moto-GP-Rennserie erprobt wurde und nun auch im Verkauf ist. Zwei Sensor-Einheiten tauschen an Motorrad und Fahrer permanent Daten aus. Weichen die Beschleunigungswerte deutlich voneinander ab, wie bei einem starken Frontalaufprall oder einem Sturz, reagiert die Sprengkapsel in der Jacke und ein zwölf Liter großer Sack bläst sich in Millisekunden auf. Im Gegensatz zu früheren Entwicklungen sind Kleidung und Motorrad nicht per Kabel verbunden, was die Bewegungsfreiheit stets eingeschränkt hatte. In wieweit die Airbag-Kleidung ihren Weg in den Massenmarkt finden wird, bleibt abzuwarten, denn derzeit liegen die Preise noch wesentlich über denen von normaler Bekleidung.

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