Volvo

Tradition: 30 Jahre Volvo 760 – Markenretter im Zeichen des Ziegelsteins

Die Amerikaner nannten ihn liebevoll-spöttisch „swedish brick“ (schwedischer Ziegelstein) und in seiner Heimat wurde er als Container-Volvo bezeichnet. Dem neuen schwedischen Spitzenmodell 760 gelang vor genau 30 Jahren, was bis dahin nicht einmal Volvo-Fans für möglich gehalten hatten: Es präsentierte sich noch kantiger und kastiger gezeichnet als sein legendärer Vorgänger, die Baureihe 240/260. Mit rechtwinkliger Formensprache in größerem Format sollte das neue Flaggschiff der Schweden aber nicht nur in der Erfolgsspur der Vorgänger fahren, mehr noch, es musste zum Retter der Marke werden.

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Durch eine überalterte Modellpalette und die Übernahme des niederländischen Kleinwagen-Herstellers Daf befand sich Volvo schon seit Mitte der 1970er Jahre in einer Image- und Existenzkrise, aus der die Göteborger nur noch mit gänzlich neuen Modellen herausfinden konnten. Mit der repräsentativen 700er [foto id=“402299″ size=“small“ position=“left“]Reihe, bestehend aus den exklusiven Typen 760, dem preiswerteren, aber stattlichen 740 und dem noblen Bertone-Coupé 780, gelang Volvo der Sprung in eine prestigeträchtigere Klasse und damit in die Zukunft.

Als Langversion diente der 760 in Schweden sogar als Staatskarosse, aber auch DDR-Staatschef Erich Honecker vertraute auf die Repräsentationskraft des größten Volvo. Die profitablen 700er-Modelle mit traditionellem Hinterradantrieb spülten so genügend Geld in die Kriegskasse von Volvo für die Entwicklung der 1991 lancierten 850er Typen mit modernen Fünfzylindermotoren und Frontantrieb. Insgesamt liefen bis 1992 über 1,2 Millionen Volvo 740, 760 und 780 vom Band, dann übernahmen die Weiterentwicklungen 940 und 960 die Flaggschiff-Funktion bei Volvo. Die eindrucksvolle Erfolgsgeschichte der Serie 700 konnte nicht einmal getrübt werden durch einen bemerkenswerten Triumph ihres Vorgängers: Der in seiner Grundform bereits 27 Jahre alte Typ 240 schaffte es 1993, seinen in Deutschland vor allem als Kombi populären Nachfolger zu überleben.

Schon der interne Projektcode P 1155 sollte im Sommer 1975 signalisieren, welcher Stellenwert dem neuen Spitzenmodell in Volvos Überlebenskampf als unabhängiger Automobilhersteller zukam. Der Projektname der späteren 700er-Modelle symbolisierte nämlich die Uhrzeit , also 11.55 Uhr, fünf Minuten [foto id=“402300″ size=“small“ position=“right“]vor zwölf. Besonders in den USA, dem weltweit wichtigsten Volvo-Markt, standen die Schweden damals unter Druck.

Die Sportler 1800 S und 1800 ES waren längst Vergangenheit und die bereits zehn Jahre zählende Reihe 140/240 trotz aller pragmatischen Talente wie Langlebigkeit und hoher Sicherheitsstandards im Vergleich zu neuen Premiumrivalen zurückgefallen. Design-Altmeister Jan Wilsgaard setzte für das Projekt P 1155 deshalb auf strenge kantige Linien mit steilem Rückfenster und eckiger Front- und Heckgestaltung. Ein Grundlinienmuster, dem damals auch Nobel-Marken wie Cadillac folgten und das den neuen Volvo in den USA in den Verkaufsstatistiken fast zu einem raketengleichen Start antrieb und Volvo schon 1982/83 das bisher beste Produktionsergebnis aller Zeiten bescherte.

Anders auf den europäischen Exportmärkten:

Hier konnte sich das Publikum nur langsam an die strengen und bei Markteinführung bereits fünf Jahre alten Formen von 760 (ab 1982) und 740 (ab 1984) gewöhnen. Der Audi 100 von 1982 als Aerodynamik-Weltmeister, aber auch Designinnovationen wie Ford Scorpio (ab 1984), Renault 25 (ab 1984) oder Saab [foto id=“402301″ size=“small“ position=“left“]9000 (ab 1985) ließen die Volvo 700-Limousinen rasch ähnlich betagt und schrullig wirken wie damals manch amerikanisches Modell.

Anfangs war der 760 GLE ausschließlich mit dem aus dem Vorgänger bekannten, aber standesgemäßen 2,8-Liter-Sechszylinder lieferbar. Ein Jahr später folgte ein 127 kW/173 PS leistender Turbo-Vierzylinder, der den 760 als ersten Volvo überhaupt die 200-km/h-Marke knacken ließ. Neuartige und vorläufig nur in der Oberklasse anzutreffende Sicherheitsausstattungsdetails wie ABS (ab 1984) und Fahrer-Airbag sowie automatische Gurtstraffer (ab 1987) bestätigten den 760 in der Rolle des Luxusliners ebenso wie werksseitig angebotene Chauffeur-Limousinen mit langem Radstand, die jedoch beim Karossier Yngve Nilssons im schwedischen  Laholm entstanden.

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Fast ebenso exklusiv und dennoch deutlich eleganter war ein in Zusammenarbeit mit Bertone entwickeltes und produziertes Coupé. Dieser Typ [foto id=“402303″ size=“small“ position=“left“]780 feierte 1985 Premiere und begeisterte im Gegensatz zu seinem skurril gezeichneten Vorgänger 262 C durch einen feinen italienischen Maßanzug. Umso enttäuschter waren die Fans nordischer Coupés, dass der Volvo 780 wie sein Vorgänger nur in wenigen Ländern verkauft wurde. Deutschland zählte nicht dazu, denn der 780 wäre hierzulande in Preisregionen vorgestoßen, wo er mit dem relativ müden V6-Benziner und einem bei Coupés damals noch nicht standesgemäßen Diesel kaum Chancen gehabt hätte gegen die BMW 6er oder Mercedes 300 CE. Dennoch entstanden in vier Jahren über 8.600 Einheiten des zeitlos eleganten Bertone-Zweitürers, die vor allem in Nordamerika, Schweden, Frankreich, Italien und der Schweiz Liebhaber fanden.

Populärster 700er wurde der relativ preiswerte Typ 740, der 1984 das Programm ergänzte und zwischen den Reihen 240 und 760 platziert wurde. Angetrieben wurde der 740 zunächst nur von Vierzylinder-Benzinern oder einem von Volkswagen zugelieferten Sechszylinder-Diesel. Schneller und begehrter [foto id=“402304″ size=“small“ position=“right“]Imageträger innerhalb der 740-Palette wurde ein 200 PS-Turbo-Benziner, der allerdings nur auf wenigen Märkten ohne strenge Abgasvorschriften angeboten wurde.

Ansonsten war es gerade die frühzeitige Einführung des geregelten Drei-Wege-Katalysators, mit der sich Volvo im Jahrzehnt der Diskussion um das Waldsterben Image-Pluspunkte verschaffen wollte. In den USA hatte man Pionierarbeit geleistet und den Abgasreiniger bereits 1976 eingeführt, in Europa war er ab 1987 Standard. In jenem Jahr zählten die 740 Kombis in Deutschland bereits zu den meistgekauften großen Familien- und Freizeitfahrzeugen. Der 760 erhielt derweil eine gründliche Modellpflege mit neuer Frontgestaltung und serienmäßiger Multilink-Hinterachse bei der Limousine. Drei Jahre und eine weitere kleine Modellpflege später fuhr der Volvo 760 bereits durch die Zielgerade, denn die Weiterentwicklung 940/960 übernahm nun das Zepter. Allein die Einstiegsversion des 740 blieb vorläufig weiter im Angebot und sortierte sich 1991 zwischen dem Vorgänger 240 und den Nachfolgern 940 und 850 ein.

Schon damals wurde der Typ 740 in Pannen- und Zuverlässigkeitsstatistiken zu den besten und robustesten Autos aller Zeiten gezählt. Dies soll [foto id=“402305″ size=“small“ position=“left“]auch ein Ergebnis des Produktionsverfahrens gewesen sein, die 700er entstanden in Torslanda/Göteborg, dem 1982 angeblich weltweit modernsten Automobilwerk. Über 100 Industrieroboter kamen in der weitgehend automatisierten Fabrik zum Einsatz. 

Tatsächlich sind die Volvo 700er auch heute noch nicht ganz aus dem alltäglichen Straßenbild verschwunden. Kein Wunder, gelten doch Laufleistungen von über einer halben Millionen Kilometern auch bei Benzinern der Serie 700 als Regelfall. Zudem findet Gevatter Rost relativ wenig Gefallen am verzinkten und stabilen Stahlskelett des Schweden.

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Modellhistorie Volvo 740/760/780

Ausgewählte Produktionszahlen
Insgesamt 1.239.222 Einheiten der Volvo 700er-Baureihe, darunter
183.864 Einheiten der Limousine Volvo 760,
37.445 Einheiten des Kombis Volvo 760,
650.443 Einheiten der Limousine Volvo 740,
358.952 Einheiten des Kombis Volvo 740,
8.518 Einheiten des Coupés Volvo 780.
Wichtige Motorisierungen
Volvo 760 mit 2,3-Liter-(114 kW/155 PS  bzw. 121 kW/!65 PS bzw. 127 kW/173 PS bzw. 134 kW/182 PS)-Vierzylinder-Benziner bzw. 2,8-Liter-(105 kW/143 PS bzw. 108 kW/147 PS bzw. 115 kW/156 PS bzw. 125 kW/170 PS)-Sechszylinder-Benziner bzw. 2,4-Liter-(80 kW/109 PS bzw. 81 kW/110 PS bzw. 82 kW/112 PS bzw. 85 kW/115 PS bzw. 90 kW/122 PS)-Sechszylinder-Diesel

Volvo 740 mit 2,0-Liter-(82 kW/112 PS bzw. 147 kW/200 PS)-Vierzylinder-Benziner bzw. 2,3-Liter-(83 kW/113 PS bzw. 84 kW/114 PS bzw. 85 kW/115 PS bzw. 86 kW/117 PS bzw. 96 kW/131 PS bzw. 111 kW/151 PS bzw. 114 kW/155 PS bzw. 115 kW/156 PS bzw. 121 kW/165)-Vierzylinder-Benziner bzw. 2,4-Liter-(60 kW/82 PS bzw. 80 kW/109 PS)-Vierzylinder-Diesel bzw. 2,4-Liter-(80 kW/109 PS)-Sechszylinder-Diesel

Volvo 780 (1985-1990) mit 2,8-Liter-(105 kW/143 PS bzw. 108 kW/147 PS bzw. 125 kW/170 PS)-Sechszylinder-Benziner bzw. 2,0-Liter-(118 kW/160 PS)-Vierzylinder-Benziner bzw. 2,4-Liter-(95 kW/129 PS)-Sechszylinder-Diesel

Preisbeispiele
Volvo 760 GLE Limousine (1982): ab 35.250 Mark
Volvo 760 GLE Limousine (1984): ab 39.800 Mark
Volvo 760 Turbo Limousine (1984): ab 39.800 Mark
Volvo 760 Turbo Diesel Limousine (1984): ab 40.600 Mark
Volvo 740 GL Limousine (1986): ab 29.990 Mark
Volvo 740 GL KAT Limousine (1986): ab 32.040 Mark
Volvo 740 GLE Limousine (1986): ab 35.440 Mark
Volvo 740 GL Diesel Limousine (1986): ab 32.340 Mark
Volvo 740 GL Kombi (1986): ab 33.240 Mark
Volvo 760 GLE Limousine (1986): ab 46.600 Mark
Volvo 760 Turbo Limousine (1986): ab 48.440 Mark
Volvo 760 Turbo Diesel Limousine (1986): ab 47.270 Mark
Volvo 760 GLE Kombi (1986): ab 46.900 Mark
Volvo 760 Turbo Diesel Kombi (1986): ab 47.570 Mark
Volvo 740 GL Limousine (1989): ab 36.210 Mark
Volvo 740 Turbo Limousine (1989): ab 46.990 Mark
Volvo 740 Turbodiesel (1989): ab 39.900 Mark
Volvo 740 GL Kombi (1989): ab 40.410 Mark
Volvo 740 Turbodiesel Limousine (1989): ab 44.100 Mark
Volvo 760 GLE Limousine (1989): ab 60.410 Mark
Volvo 760 GLE Kombi (1989): ab 64.610 Mark
Volvo 740 Kombi (1992): ab 39.950 Mark
Volvo 940 GL Limousine (1992): ab 41.990 Mark
Volvo 940 Kombi (1992): ab 45.350 Mark
Chronik
1975: Unter der Projektbezeichnung P 1155 läuft die Entwicklung der neuen Volvo-Spitzenmodelle an

1977: Nach mehreren Car Clinics in den USA und in Europa wird im August die endgültige Form des Typs 760 verabschiedet, fünf Jahre vor Serienstart

1979: Im Februar beginnt die Prototypenerprobung

1980: Die dritte und letzte Prototypenreihe geht auf Erprobungsfahrt

1981: Auf dem Genfer Salon wird die Studie VCC (Volvo Concept Car) präsentiert. Das Kombi-Konzept zeigt die Grundlinien der späteren Serienversion. Mitte des Jahres erscheinen die ersten Erlkönigfotos des 760 GLE

1982: Am 2. Februar erfolgt die internationale Markteinführung des 760 GLE. Die Typenbezeichnung wird gewählt, weil damals die Reihen 100 (121/122 Amazon), 200 (240/260), 300 (340/360), 400 (PV 444), 500 (PV 544) und 600 (Volvo 66, ehemals Daf) bereits vergeben waren. 760 zunächst ausschließlich als viertürige Stufenhecklimousine mit Sechszylindermotor. Produktionsauslauf der Vorgängermodelle 264/265

1983: Debüt des 760 Turbo

1984: Anfang des Jahres Einführung des 740 GLE

1985: Vorstellung von 740 und 760 Kombi und des 780 Coupé (auf dem Genfer Salon). Das 700er-Design wird ein weltweiter Erfolg, insgesamt werden in diesem Kalenderjahr fast 150.000 Einheiten der 700-Typen abgesetzt, doppelt so viele wie im Vorjahr

1987: Alle Modelle auch mit geregeltem Drei-Wege-Kataylsator, Fahrer-Airbag und automatische Gurtstraffer, Facelift zum Modelljahr 1988

1988: Neuer 16-Ventil-Motor im 740

1989: Sanfte optische Modellpflege für den Volvo 740

1990: Der Volvo 960 ersetzt den Typ 760. Der 740 läuft parallel zu seinem Nachfolger 940 weiter

1991: Weltpremiere für den Volvo 850, dessen Entwicklung 15 Milliarden Kronen gekostet hat und als teuerste jemals in Schweden getätigte Investition in eine Automobilentwicklung gilt 

1992: Produktionsauslauf der 740-Typen

1993: Der Volvo 240 wird eingestellt

1998: Die vorläufig letzten Volvo mit Heckantrieb, die Typen S 90 und V 90 (1996 aus den Typen 940 und 960 hervorgegangen), laufen zugunsten der Neukonstruktion S 80 aus

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