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Die Zeiten, in denen das Autojahr einmal mit der Motorshow in Detroit begonnen hat, sind offenbar vorbei. Denn mit verstärkter Kraft drängt die noch frühere Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas auf den Tourneeplan im Messezirkus der PS-Konzerne. Zwar möge es manche Besucher der weltgrößten Elektronikmesse überraschen, wenn zwischen Smartphones und Fernsehern, Computerchips und Internetservern immer mehr Neuwagen stehen, räumt CES-Chef Gary Shapiro ein. „Doch als mobile Elektronik-Plattformen haben Autos auf der CES mehr denn je ihre Berechtigung“, schlägt der Messe-Manager die Brücke zwischen dem Silicon Valley und der Autobahn.
Schließlich geht es bei den Auftritten von Audi, BMW, Mercedes, General Motors, Ford oder Toyota nicht mehr um Motoren und ihre Leistungen, sondern vor allem um die Chips und ihre Intelligenz. Fahren ist hier vor allem ein Mittel zum Zweck und deshalb so nebensächlich, dass man es getrost dem Computer überlassen kann. Zwar betonen die deutschen Autohersteller in Las Vegas unisono, dass sie die Freude am Fahren nicht dem Fortschritt opfern wollen, weil diese ja eine zentrale Stütze ihres Geschäfts sei. Doch während es nächste Woche in Detroit vor allem wieder darum gehen wird, was der Fahrer in seinem neuen Auto alles anstellen kann, sieht er in Las Vegas, was das Auto in Zukunft mit ihm anstellen wird. Automatisiertes oder pilotiertes Fahren, wie die Forscher das nennen, ist das alles bestimmende Thema im Umfeld der Messe.[foto id=“495880″ size=“small“ position=“right“]
BMW beweist mit einem entsprechend umgerüsteten Zweier, dass auch der Autopilot ein Sportler sein: Mit quietschenden Reifen driftet das Coupé autonom über einen vorher programmierten Rund- und Slalomkurs und macht Lust auf die „Freude am Mitfahren“. Mercedes erzählt noch einmal die Geschichte der autonomen Bertha-Benz-Fahrt von Mannheim nach Pforzheim aus dem letzten Herbst. Und Audi lässt bei der Keynote von Rupert Stadler nicht nur einen führerlosen A7 auf die Bühne rollen, sondern surrt auch freihändig durch den Highway-Stau rund um die Spielermetropole: Bis 60 km/h fährt der Prototyp ohne Zutun des Fahrers über die Interstate, beschleunigt, bremst und lenkt, während der Entwickler wild mit den Händen gestikuliert und sich immer mal wieder zu seinen Gesprächspartnern im Auto umdreht.
Zugegeben, all das ist nicht ganz neu. Doch es fällt auf, wie groß der Fortschritt ist und wie konkret mittlerweile die Aussagen zum Serienstart werden: Füllten die Rechner für das pilotierte Fahren im Stau bei Audi im letzten Jahr noch den ganzen Kofferraum, braucht die Elektronik jetzt nicht mehr Platz als ein Schuhkarton. Während man bei dem nun serienreifen Einparkassistenten mit erstmaligem Gas- und Bremseingriff im BMW i3 noch fast einschläft , weil die Elektronik so defensiv und zaghaft fährt, lotet der autonome Zweier plötzlich den fahrdynamischen Grenzbereich aus und stellt so den Magen seines Fahrers auf die Probe. Und wenn man Audi-Mann Björn Giesler im Stau auf der I-15 glaubt, ist der Autopilot bei Audi schon erschreckend nah: „In zwei bis vier Jahren gibt’s diesen Stau-Assistenten in Serie“, verspricht der Ingenieur und hofft, dass bis zum Generationswechsel des A8 auch der Gesetzgeber schon so weit ist. „Die Technik haben wir bis dahin jedenfalls im Griff“, ist er zuversichtlich.
Allerdings wird es dann erst einmal nur Autonomie mit Einschränkungen geben, räumt Giesler ein. Spurwechsel zum Beispiel oder Geschwindigkeiten über 60 km/h sind da noch nicht vorgesehen. Aber zum ersten Mal darf der Fahrer dann tatsächlich die Hände vom Lenkrad nehmen und sich mit anderen Dingen beschäftigen, ohne dass ihn die Elektronik wie in den aktuellen Systemen ständig zur Aufmerksamkeit mahnt. Außerdem soll der Autopilot im Jahres- oder Zweijahresrhythmus neue Fähigkeiten bekommen. „Wir werden danach das Tempo steigern, Spurwechsel ermöglichen, Autobahnkreuze nehmen und uns dann in die Stadt vortasten“, sagt Giesler und skizziert damit eine Welt, wie sie auch Mercedes und Audi für den Beginn der nächsten Dekade vorzeichnen.
Der Fahrer, so sind die Entwickler überzeugt, wird das nicht als Bevormundung oder gar Entmündigung empfinden. Er wird vielmehr entlastet, sich entspannen können und autonome Fahrten im Stau, auf der Autobahn oder in der Rushhour plötzlich als Gewinn empfinden. „Wir schenken ihm damit das, was in diesen Tagen zu einem der knappsten Güter geworden ist“, sagt Werner Huber, der bei BMW die Entwicklung der Assistenzsysteme leitet: „Freie Zeit für Ruhe und Entspannung.“
Wie diese Freizeit hinter dem Lenkrad genutzt werden kann, auch das zeigen die Auto-Hersteller auf der CES. Neue Informations-, Kommunikations- und Unterhaltungs-Funktionen, die totale Vernetzung mit dem Mobiltelefon, der Cloud, der Smartwatch oder der Wohn- und Arbeitswelt – all das ist in Las Vegas keine Utopie mehr sondern fast schon Standard und bekommt nun noch einmal einen kräftigen Schub. Denn nach Apple hat sich jetzt auch Google für die Autoindustrie erwärmt und mit einer Reihe von Herstellern eine Allianz geschmiedet, die das Betriebssystem Android ins Fahrzeug bringen und so „völlig neue Möglichkeiten für das Infotainment“ schaffen soll.
Zwar wirkt das alles so, als werde das Fahren im Auto tatsächlich so langsam zur Nebensache. Doch ganz vorbei ist es mit dem Rausch des Rasens noch nicht. Im Gegenteil. Denn zumindest bei Chevrolet gibt es in Las Vegas eine Elektronik-Premiere ganz im Sinne der Vollgas-Fraktion: Für die neue Corvette haben die Amerikaner auf der CES einen Performance Date Recorder vorgestellt, der Videoaufzeichnungen und Telemetriedaten aufzeichnet und als Formel1 taugliche Animation zur weiteren Verwendung etwa im Internet auf einem Chip speichert. So bringt man ein bisschen echten Speed in die virtuelle Welt.
geschrieben von auto.de/sp-x veröffentlicht am 08.01.2014 aktualisiert am 08.01.2014
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